COVID-19 Blog Teil 17: Wertberichtigung nach IFRS 9 oder Umsatzanpassung nach IFRS 15?

04/06/20

Die gegen die Ausbreitung des Coronavirus gesetzten Maßnahmen können je nach Branche und Geschäftsmodell zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten führen. Unternehmen stellen sich für bestehende und künftige Kundenverträge die Frage, wie etwaige nachteilige Entwicklungen in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit der Kunden bilanziell zu erfassen sind. Es ist zu beurteilen, ob überhaupt ein Kundenvertrag nach IFRS 15 vorliegt und ob (potentielle) Zahlungseinbußen als Folge einer geminderten Bonität der Kunden zu einer Wertberichtigung nach IFRS 9 oder zu einer Anpassung der Umsätze nach IFRS 15 führen.

Künftige Kundenverträge

Ist ein erhöhtes Ausfallsrisiko des Kunden bereits bei Vertragsabschluss bekannt, stellt sich für Unternehmen die Frage, welche Konsequenzen dies für die weitere Beurteilung hat. Entweder nehmen sie das erhöhte Kreditrisiko des Kunden als unternehmerische Entscheidung bewusst in Kauf oder sie gehen schon bei Vertragsabschluss davon aus, dass sie einen Teil des Kaufpreises nachlassen werden, also ein Preiszugeständnis machen. Diese Unterscheidung ist von Bedeutung, weil sie Auswirkungen auf die Beurteilung hat, ob überhaupt ein Kundenvertrag nach IFRS 15.9 vorliegt und wie in weiterer Folge etwaige (erwartete) Zahlungseinbußen zu erfassen sind.

Nach IFRS 15.9 e) darf ein Umsatzerlös nur dann erfasst werden, wenn der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit wahrscheinlich nachkommen wird. Die erwartete Gegenleistung kann im Falle von erwarteten Preiszugeständnissen auch niedriger sein als der im Vertrag angegebene Preis. Dies ist der Fall, wenn der Kunde aufgrund der Geschäftspraktiken des Unternehmens einen Preisnachlass erwartet. Weiters können sonstige Fakten und Umstände darauf hindeuten, dass ein solcher gewährt wird (IFRS 15.52). Gründe für das Gewähren eines Preiszugeständnisses können beispielsweise im Aufbau einer langfristigen Kundenbeziehung liegen, bei der (mögliche) anfängliche Zahlungsschwierigkeiten aufgrund der Auswirkungen der aktuellen Coronakrise des Kunden bewusst akzeptiert werden. 

Falls bei Vertragsabschluss ein Preiszugeständnis enthalten ist, liegt bei Erfüllung der sonstigen Kriterien des IFRS 15.9 a) bis d) ein Kundenvertrag nach IFRS 15 vor. Der Transaktionspreis entspricht dem Betrag, den das Unternehmen nach Abzug des (möglichen) Preisnachlasses wahrscheinlich erhält. Etwaige künftige Anpassungen des Transaktionspreises werden grundsätzlich als Anpassung der Umsätze nach IFRS 15 und nicht als Wertberichtigung nach IFRS 9 erfasst. Es ist aber zu überprüfen, ob Reduktionen des erwarteten Betrages eindeutig auf Änderungen der Zahlungsfähigkeit des Kunden (zB Konkursantrag) zurückzuführen sind. Für diese ist eine Wertberichtigung nach IFRS 9 zu erfassen.

Falls das Risiko des Zahlungsausfalls jedoch bewusst in Kauf genommen wird, muss das Unternehmen beurteilen, ob es wahrscheinlich ist, dass der Kunde seinen vollen Zahlungsverpflichtungen (also ohne Abzug eines Preiszugeständnisses) nachkommen wird. Ist dies der Fall, werden Umsatzerlöse in voller Höhe realisiert und etwaige (zukünftige) Zahlungseinbußen im Regelfall als Wertberichtigung nach IFRS 9 erfasst. Etwaige nachträglich eingeräumte Preiszugeständnisse in diesem Zusammenhang müssen danach beurteilt werden, ob sie deswegen gewährt werden, weil der Kunde nicht zahlen kann. Wenn dies zutrifft, ist ebenfalls eine Wertberichtigung zu erfassen.

Der IASB hat festgehalten, dass die Beurteilung, ob der Lieferant bei Vertragsabschluss das Kreditrisiko in Bezug auf den vertraglich fixierten Preis bewusst in Kauf nimmt oder aber ein verdecktes Preiszugeständnis vorliegt, schwierig sein kann. Sämtliche Fakten und Umstände sind einzubeziehen (IFRS 15.BC 194).

Bestehende Kundenverträge

Wird ein erhöhtes Ausfallsrisiko des Kunden erst nach Abschluss des Kundenvertrages identifiziert, sind etwaige (erwartete) Zahlungseinbußen in Bezug auf bereits erbrachte Leistungen und damit verbundene Forderungen bzw. Vertragsvermögenswerte im Regelfall als Wertberichtigung nach IFRS 9 zu erfassen. Nur in Ausnahmefällen wird eine Anpassung der Umsätze nach IFRS 15 infrage kommen. 

Für noch nicht erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit bestehenden Kundenverträgen muss bei eintretenden Zahlungsschwierigkeiten des Kunden nach IFRS 15.13 erneut überprüft werden, ob alle Kriterien zur Identifizierung eines Vertrages nach IFRS 15.9 erfüllt sind. Der nachträglich eintretende Fall von Bonitätsverschlechterungen hat besondere Bedeutung bei Verträgen, bei denen die Umsatzerfassung über einen bestimmten Zeitraum erfolgt.

Beurteilung auf Portfolio Basis

Die „Transition Resource Group (=TRG)” hat sich im Jänner 2015 mit der Frage beschäftigt, wie das Kriterium nach IFRS 15.9 e) bezüglich des wahrscheinlichen Erhalts der erwarteten Gegenleistung zu beurteilen ist, wenn ein Portfolio von Verträgen vorliegt, bei denen in der Vergangenheit ein bestimmter Prozentsatz der Forderungen (zB 2%) als nicht einbringlich eingestuft wurde. Die TRG kam dabei zum Ergebnis, dass wenn für den einzelnen Kundenvertrag die Gegenleistung als wahrscheinlich eingestuft wurde, die Umsätze mit dem vollem Transaktionspreis zu erfassen sind. Etwaige Wertberichtigungen sind demnach nach IFRS 9 zu buchen (TRG, Paper 13, Collectibility, 2015). 

Kontakt

Hans Hartmann

Hans Hartmann

Partner, Capital Markets & Accounting Advisory Services (CMAAS), PwC Austria

Tel: +43 676 833 771 816

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