Viele Dealmaker im Bereich Finanzdienstleistungen gehen mit größerem Optimismus in das Jahr 2024 und betrachten das Jahr 2023 als einen Tiefpunkt, in dem die durch makroökonomische Faktoren wie hohe Inflation, steigende Zinssätze und geringere Wirtschaftswachstumsprognosen verursachte Unsicherheit die M&A-Aktivitäten dämpfte. Während die makroökonomischen Bedingungen und die geopolitischen Spannungen weiterhin eine Herausforderung darstellen, lassen die jüngsten Gewinne an den Finanzmärkten und die positiven Zinssignale der Zentralbanken das Vertrauen der Anleger langsam wieder aufleben.
Die aktuellen Marktbedingungen – in Kombination mit notwendigen laufenden Initiativen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Herausforderungen in Bezug auf Belegschaft – setzen die Akteure im Finanzdienstleistungsbereich unter Druck, ihre Transformation zu beschleunigen, um relevant und profitabel zu bleiben. Neben internen Maßnahmen sind M&A weiterhin ein wesentlicher Bestandteil des Transformationsprozesses, zumal das organische Wachstum im derzeitigen makroökonomischen Umfeld vor großen Herausforderungen steht. Zu den mit M&A verbundenen Transformationsschritten können Übernahmen gehören, um die Fähigkeiten zu verbessern und zukünftiges Wachstum durch Größen- und Verbundvorteile zu fördern. Alternativ dazu können Veräußerungen dazu beitragen, den Betrieb zu verbessern und die Geschäftsmodelle neu auszurichten.
Die Finanzdienstleistungsbranche ist mit einer Reihe zusätzlicher Herausforderungen konfrontiert, die zum Teil auf ihre stark regulierte und risikoscheue Natur zurückzuführen sind, was die erfolgreiche Durchführung von Transformationsmaßnahmen erschwert. Das schwierige Marktumfeld verschafft den Marktteilnehmer:innen starken Gegenwind für M&A-Transaktionen. Wir gehen davon aus, dass die Dealmaker eher kleinere Transaktionen als Megadeals anstreben werden, um Transformationsschritte zu erleichtern. Wir erwarten auch, dass Deal-Prozesse länger dauern und die Analysen komplexer werden.
“Der derzeitige Markt für Finanzdienstleistungs-Deals ist für alle Beteiligten sehr herausfordernd, aber ich bin der festen Überzeugung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist – wenn andere vielleicht noch zögern –, um durch Übernahmen oder Veräußerungen Vorteile zu erlangen und so die zukünftige Positionierung zu festigen.”
Christopher Sur,Global Financial Services Deals Leader, PwC GermanyDer Markt für gewerbliche Versicherungsmakler ist ein attraktiver Sektor für potenzielle Investoren, da er nicht zyklisch ist, eine robuste Nachfrage aufweist und gute Aussichten auf eine Konsolidierung in einem in vielen Ländern nach wie vor stark fragmentierten Markt bietet. Die große Anzahl kleiner und mittelgroßer Unternehmen auf dem Markt schafft Möglichkeiten für Synergien und Größenvorteile und macht die gewerbliche Versicherungsvermittlung zu einem attraktiven Markt für Investoren, die nach langfristigen Anlagemöglichkeiten mit hohen Gewinnspannen und stabilen Renditen suchen.
Private Equity ist eine natürliche Triebkraft für Konsolidierungsbemühungen und hat einen erheblichen Anteil an den Versicherungsvermittlungs-Deals ausgemacht. Der Trend zur Konsolidierung im Bereich Versicherungsvermittlung begann vor etwa 20 Jahren in den USA und in Großbritannien und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich dieser Trend verlangsamt. Viele andere Länder befinden sich in der Anfangsphase dieser Marktkonsolidierung und diejenigen, die sich auf reiferen Binnenmärkten befinden, suchen international nach Wachstum.
In vielen Ländern Europas, des Nahen Ostens und Afrikas (EMEA) haben Übernahmen von Maklerfirmen durch Konkurrenten und das Wachstum von Konsolidierern, die durch Private Equity unterstützt werden, zu erheblichen M&A-Aktivitäten geführt.
In Deutschland beispielsweise sicherte sich Gossler, Gobert & Wolters (GGW), eine der führenden Maklerplattformen für kleine und mittelgroße Unternehmen in Europa, kürzlich eine Investition von Permira, um seine akquisitorische Wachstumsstrategie in der stark fragmentierten deutschen und europäischen Versicherungsvermittlungsbranche zu unterstützen.
Auch die Versicherungsmakler in der USA haben ihren Konsolidierungskurs fortgesetzt, mit inländischen Übernahmen wie der für November 2023 angekündigten Übernahme von drei US-Versicherungsmaklern durch die Farmers Group und der geplanten Übernahme von NFP, einem führenden mittelständischen Anbieter von Lösungen für Risiko-, Leistungs-, Vermögens- und Altersvorsorgeberatung, durch Aon Plc für 13,4 Mrd. USD. Aon kündigte auch Pläne zur Übernahme eines indischen Versicherungsvermittlungsunternehmens an.
Die folgenden Bereiche werden unserer Einschätzung nach im Jahr 2024 Hot Spots für M&A-Aktivitäten sein:
Vermögensverwaltung: Vermögensverwalter, die mit einem verlangsamten organischen Ertragswachstum und schrumpfenden Margen konfrontiert sind, werden weiterhin M&A nutzen oder intensivieren, um Größenvorteile zu erzielen oder neue Fähigkeiten zu erwerben, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit, alternatives Vermögen und einzigartige Vermögensverwaltungsspezialist:innen.
Versicherung: Im Versicherungssektor ist mit einer anhaltenden Deal-Aktivität zu rechnen, da die Unternehmen versuchen, sich von komplexen, alten Versicherungsportfolios zu trennen, um Kosten zu senken und die Kapitaleffizienz zu verbessern. Die Trennung von Risikoträger- und Vermögensverwaltungseinheiten der Versicherungsunternehmen wird von den Marktteilnehmer:innen weiterhin geprüft. Wie im Abschnitt „Versicherungsvermittlung im Mittelpunkt“ erwähnt, ist die Konsolidierung dieses stark fragmentierten Marktes im Gange und wird auch weiterhin Private Equity-Investoren anziehen.
Private Equity: Investoren mit zunehmender Spezialisierung auf Finanzdienstleistungen, Teams, die auf Finanzdienstleistungen spezialisiert sind und steigenden Fondsvolumen konzentrieren sich auf Finanzdienstleistungen und Finanzdienstleistungs-bezogene Themen wie Versicherungsvermittlung, Zahlungsverkehr, Plattformen, FinTech, InsurTech und RegTech. Daher erwarten wir eine vermehrte M&A-Aktivität in diesen Bereichen. Da PE-Investoren jedoch aufgrund der höheren Kapitalkosten und der Beschränkungen bei der Fremdkapitalaufnahme einem größeren Druck auf die Renditen ausgesetzt sind, wird die Konzentration auf die Wertschöpfung wichtiger denn je sein.
Zahlungsverkehr: Trotz der anhaltenden makroökonomischen Herausforderungen und ihrer Auswirkungen auf den M&A-Markt ist der Zahlungsverkehrssektor für viele Investoren nach wie vor sehr attraktiv. Sowohl Private Equity-Firmen als auch Bank- und Zahlungsverkehrsunternehmen betrachten das Zahlungsverkehrsgeschäft als skalierbar, weniger reguliert und profitabler als andere Bereiche der Finanzdienstleistungsbranche. Buy-and-Build-Strategien sind ein beliebter Weg für PE-Firmen, Zahlungsverkehrsgeschäfte auszubauen.
Finanztechnologie (FinTech): Wir sehen, dass Finanzdienstleistungsunternehmen strategische Partnerschaften mit FinTechs, neuen Vertriebspartner:innen und anderen eingehen, um Ökosysteme aufzubauen und ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Der Zugang zu neuem Kapital und Liquidität wird für viele FinTechs jedoch immer schwieriger. Daher erwarten wir, dass einige FinTechs attraktive Übernahmekandidaten sein werden und einige Thema von Distressed M&A werden. Andere könnten einfach scheitern und verschwinden.
Insgesamt erweist sich die Kreditqualität trotz des erheblichen makroökonomischen Gegenwinds als widerstandsfähig. Sollten die schwierigen makroökonomischen Bedingungen jedoch anhalten, könnten wir einen Anstieg der von Banken gehaltenen problembehafteten Vermögenswerte beobachten, wobei der Schwerpunkt auf jenen liegt, die mit Gewerbeimmobilien verbunden sind. Dies könnte zu weiteren Umstrukturierungsmaßnahmen bei den Finanzdienstleistern führen, wie zum Beispiel der Veräußerung von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Vermögenswerten oder notleidenden Krediten (NPL), um die Bilanzen zu stärken und die Eigenkapitalquoten im Bankensektor zu verbessern.
Die Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche sehen sich nach wie vor einem hohen oder sogar zunehmenden Druck seitens der Regulierungsbehörden und Interessensgruppen ausgesetzt, ESG-Kriterien in ihren Geschäftsentscheidungen zu berücksichtigen. Die Regulierungsbehörden erwarten, dass ESG-Kriterien eine zentrale Rolle bei der Festlegung von Strategien und Geschäftsplänen sowie bei der Risikobereitschaft der von ihnen beaufsichtigten Unternehmen spielen. Auch andere Interessensgruppen – wie Mitarbeiter:innen, Kund:innen, Partner:innen der Wertschöpfungskette, Nichtregierungsorganisationen und die Medien – halten ESG-Kriterien für die weitere Entwicklung von Finanzdienstleistungsunternehmen für wichtig. Daher richten sich auch die Investoren bei ihren Investitionsentscheidungen und der Festlegung von Unternehmensstrategien immer mehr nach diesen Kriterien.
Die Digitalisierung bleibt eine strategische Priorität, da die Akteure der Finanzdienstleistungsbranche die Erwartungen der Verbraucher:innen erfüllen und ihre Marktposition vor dem Hintergrund der Disruption durch FinTechs und Nicht-Finanzdienstleistungsunternehmen ausbauen müssen. Wir gehen davon aus, dass sich M&A, strategische Partnerschaften und Allianzen im Jahr 2024 auf Deals zum Einsatz von Daten, zur Implementierung von Lösungen für die zunehmenden Cybersicherheitsprobleme, zur Steigerung der betrieblichen Effizienz und zur Beschleunigung von Transaktionsprozessen konzentrieren werden.
Das Volumen und der Wert der weltweiten M&A im Finanzdienstleistungssektor sanken zwischen 2022 und 2023 um 12 % bzw. 40 %. Die starke Zunahme der Finanzdienstleistungs-Deals in den Jahren 2021 und 2022 in Verbindung mit steigenden Zinssätzen und einer Reihe damit verbundener Bankenzusammenbrüche Anfang 2023, die die Marktunsicherheit nicht nur im Bankensektor, sondern auch im gesamten Finanzdienstleistungssektor und im weiteren Sinne schürten, führten folglich zu einem dämpfenden Effekt auf M&A im Jahr 2023.
Die Deal-Volumen erreichten zwar wieder das Niveau von 2019 und 2020, aber die Deal-Werte waren im Jahr 2023 unter dem Niveau der Vorjahre. Der Rückgang der Deal-Werte im Jahr 2023 spiegelt bis zu einem gewissen Grad den Trend wider, dass Dealmaker kleinere Transaktionen nutzen, um Transformationsschritte zu erreichen, anstatt Megadeals zu tätigen – hier verstanden als Transaktionen mit einem Wert von mehr als 5 Mrd. USD. Die Zahl der Megadeals ging von 21 im Jahr 2021 auf sieben im Jahr 2022 und nur drei im Jahr 2023 zurück.
Trotz eines herausfordernden Marktumfelds mit einer Verlangsamung der Deal-Aktivitäten im gesamten Finanzdienstleistungssektor im vergangen Jahr sehen wir Potenzial für einen Aufschwung bei M&A mit einem verbesserten Ablauf bei den Deals im Laufe des Jahres 2024.
Die Akteure des Finanzdienstleistungssektors stehen nach wie vor unter erheblichem Druck, ihre Geschäftsmodelle weiter umzugestalten, um aktuellen und künftigen Herausforderungen zu begegnen und nachhaltige Ergebnisse zu zielen. M&A können als Katalysator für die erforderlichen Transformationsschritte dienen, entweder durch den Erwerb von Unternehmen, um das künftige Wachstum voranzutreiben oder durch die Veräußerung von weniger rentablen oder nicht zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsbereichen, um den operativen Fokus des Unternehmens zu schärfen.
Global and EMEA Asset & Wealth Management Deals and Strategy Leader, Partner, PwC Italy