Im Bereich Energy, Utilities und Resources (EU&R) werden trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheiten im Jahr 2024 rege Aktivitäten im Bereich M&A erwartet. Wir rechnen für 2024 mit einer Fortsetzung der positiven Trends bei den Deal-Werten und -Volumina.
Es kommt in der EU&R-Branche weiterhin zu einem Kapitalzufluss, da Investoren der Energiewende eine große Bedeutung beimessen. Wir beobachten weiterhin ein großes Interesse aus umfangreichen Kapitalpools, mit denen M&A-Aktivitäten sowie Greenfield- und Brownfield-Projekte finanziert werden.
Bei Vermögenswerten, die nicht dem Netto-Null-Gedanken entsprechen, wird es zu einem Kapitalabfluss kommen – dieses Kapital wird stattdessen für Möglichkeiten eingesetzt, die den Sustainability-Gedanken berücksichtigen. Dies wird unweigerlich dazu führen, dass es in einigen Sektoren zu Problemen bei der Sicherung der notwendigen Finanzierung gibt. In diesen Situationen sind die Unternehmen mit den stärksten Bilanzen in einer guten Position, um mögliche Deals und die Chancen auf Wertschöpfung zu nutzen.
Die Transformation als Motor der Energiewende schreitet nicht so schnell voran wie erwartet. Wird 2024 das Jahr sein, in dem Deals im Sinne der Transformation in der gesamten EU&R-Branche stärker anziehen?
Für lange Zeit stellte Environmental, Social and Governance (ESG) den wesentlichen Treiber für Deals in der EU&R-Branche dar. In den letzten Monaten jedoch scheint dies in bestimmten Sektoren in den Hintergrund gerückt zu sein, da der wirtschaftliche Gegenwind die Prioritäten beim kurzfristigen Kapitaleinsatz verändert.
Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass die Energiewende und Nachhaltigkeit auf absehbare Zeit entscheidende Treiber der Deals in der EU&R-Branche bleiben werden, und gehen davon aus, dass Stakeholder sich im Jahr 2024 wieder auf diese Bereiche konzentrieren werden.
In Österreich ist der Trend zum Ausbau von Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbarer Energie ungebrochen. Teilweise immer noch erschwert durch fehlende Akzeptanz werden neue Wasser-, Wind-, PV- und Biomasse-Projekte entwickelt und teilweise weiter veräußert. Insbesondere im PV-Bereich wurden durch regulatorische Änderungen Möglichkeiten geschaffen, dass auch Private einen Beitrag zur Energiewende leisten können, etwa durch Energiegemeinschaften.
Die Energiewende bringt aber auch viele Herausforderungen mit sich. So müssen in die Übertragungs- und Verteilernetze in den nächsten Jahren zweistellige Milliardenbeträge investiert werden, um die neuen Erzeugungsanlagen ans Netz zu bekommen sowie ihre Stabilität und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Neben der erneuerbaren Stromerzeugung ist auch der Wärmesektor gefordert, möglichst schnell grün zu werden. Investments in Großwärmepumpen oder Geothermieprojekte bestätigen das bereits. Darüber hinaus muss auch das Thema der Energieeffizienz forciert werden, um den steigenden Energiehunger zu stillen.
Auch an Grüngasprojekten (etwa Biomethan oder Grüner Wasserstoff) wird mit Hochdruck gearbeitet, um den Ausstieg aus der fossilen Welt zu erreichen.
“Die Nachfrage nach Projekten für erneuerbare Energie, die bald ans Netz gehen können, ist enorm. Unternehmen welche diese Entwicklung durch innovative technologische Entwicklungen vorantreiben, stehen besonders hoch im Kurs.”
Michael SponringPwC AustriaSource: PwC's 27th Annual Global CEO Survey
In der 27. Annual Global CEO Survey von PwC gaben CEOs aus der EU&R-Branche an, dass sie mit doppelter Wahrscheinlichkeit äußerst oder sehr besorgt über die Risiken des Klimawandels für ihre Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten sind als CEOs aus anderen Branchen.
In Kombination mit dem historischen Ergebnis der Weltklimakonferenz (COP28) im Dezember 2023, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden, gehen wir davon aus, dass diese Besorgnis noch größer werden wird. CEOs müssen Maßnahmen zur Transformation ihrer Geschäftsmodelle setzen und in die Energiewende investieren. Dies wiederum wird sich sowohl kurz- als auch mittelfristig positiv auf die M&A-Aktivitäten auswirken.
Neben dem allgemeinen Thema der Energiewende erörtern wir außerdem, warum Konsolidierung, staatliche Regulierung, Versorgungssicherheit und Portfoliooptimierung wesentliche Themen sein werden, die M&A-Aktivitäten in der EU&R-Branche 2024 beeinflussen werden.
Im Rahmen der Positionierung der Unternehmen in der Energiewende gab es in den letzten Jahren viele Diskussionen betreffend die Konvergenz der branchen-, sektor- und kapitalquellenübergreifenden Aktivitäten. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Überschneidung zwischen mehreren industriellen Fertigungssektoren und der Energie-, Strom- und Versorgungs- sowie der Bergbauindustrie aufgrund der wachsenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen (EV).
Source: PwC
Am Beginn der EV-Wertschöpfungskette stehen die Rohstoffe, mit denen in weiterer Folge die Batterie und andere wesentliche Bestandteile eines EV produziert werden. Das Ende bildet die Wiederverwertung nach Ablauf der Nutzungsdauer.
Die wechselseitige Abhängigkeit nimmt an jedem Punkt der Wertschöpfungskette zu. Beispielweise werden Bergwerke, die die Quelle für die mineralischen Stoffe und Metalle in EV-Batterien und anderen Bestandteilen sind, irgendwann von sauberer Energie angetrieben werden, und die in den Bergwerken eingesetzten Fahrzeuge werden autonom sein.
Einige Akteure haben sich neu positioniert, um von der Wende zu profitieren, und nutzen Transaktionen als Treiber für Transformation. Beispiele hierfür sind:
Energieunternehmen, die sich für die Zukunft neu aufstellen, indem sie u.a. Grundstücke mit Lithium-Vorkommen kaufen. Beispielsweise kündigte Exxon Mobil im November 2023 an, ein führender Hersteller von Lithium werden zu wollen. Dies soll mittels Bohrungen in Arkansas erfolgen, wofür zu einem früheren Zeitpunkt des Jahres die Rechte erworben wurden. Außerdem werden andere globale Wachstumsmöglichkeiten geprüft.
Original equipment manufacturers (OEMs), die direkt in Bergbauunternehmen investieren oder Abnahmevereinbarungen aushandeln, um die Versorgungssicherheit für die EV der Zukunft sicherzustellen. Beispielsweise kündigte General Motors (GM) eine Kapitalbeteiligung an Lithium Americas an.
Ziel ist die gemeinsame Erschließung einer Lithium-Mine in Nevada, wo gemäß der Vereinbarung Lithiumcarbonat abgebaut und anschließend in den Akkuzellen von GM in der EV-Produktion verwendet werden soll. Die Ford Motor Company hat ebenfalls mit bestimmten Rohstofflieferanten neue Lithium-Abnahmevereinbarungen unterzeichnet, und Tesla schloss eine Vereinbarung mit dem australischen Unternehmen Magnis Energy für die Lieferung von Batterieanodenmaterial ab.
Die gesamte EV-Wertschöpfungskette leistete in den letzten Jahren einen wesentlichen Beitrag zum M&A-Wachstum in der EU&R-Branche.
Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung 2024 fortsetzen wird, da die Unternehmen sich für eine Zukunft positionieren, in der Elektrofahrzeuge die dominierende Fahrzeugart auf dem Weltmarkt darstellen und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren (ICE) der Vergangenheit angehören werden. Diese Unternehmen werden in Kooperation mit mehreren anderen Stakeholdern zusammen Geschäftsmodelle transformieren, nachhaltige Ergebnisse schaffen und die Energiewende zur Realität machen.
Während die Energiewende weiterhin der Haupttreiber in der gesamten EU&R-Branche ist, gibt es auch einige andere wesentliche Themen.
Konsolidierung bleibt in der gesamten EU&R-Branche ein wesentliches Thema zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der weiteren Vergrößerung und Ausweitung. Einige, im Jahr 2023 angekündigte große Deals stellen Beispiele derartiger Konsolidierungen dar, einschließlich der geplanten Übernahme von Pioneer Natural Resources durch Exxon Mobil im Wert von 59 Mrd. USD, der geplanten Übernahme von Hess durch Chevron im Wert von 53 Mrd. USD und der Übernahme von Newcrest durch Newmont im Wert von 17 Mrd. USD. Wir erwarten eine Fortsetzung dieses Trends im Jahr 2024.
Der Bereich M&A wird weiterhin durch staatliche Regulierung gelenkt, etwa durch steuerliche Anreize, staatlich geförderte Kapitalpools, Gesetzesänderungen zur Förderung von Investitionen oder staatliche Eingriffe in bestimmte Projekte.
Seitdem Mitte 2022 in den USA der Inflation Reduction Act (IRA) in Kraft getreten ist, hat sein Einfluss nicht nur in der EU&R-Branche in den USA Anreize für erhebliche Investitionen geschaffen, sondern auch dazu geführt, dass in Europa und anderen Regionen eigene Anreizpakete geschnürt wurden.
Beispielsweise sollen in Europa mit dem Industrieplan zum Grünen Deal und in Japan mit dem Entwurf eines grünen Transformationsgesetzes höhere Investitionen in eine Reihe von kohlenstoffarme Infrastrukturprojekte erreicht werden. Ziel ist eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Netto-Null-Emissionsindustrien in diesen Regionen und ein schnellerer Umstieg auf Klimaneutralität.
Die Teilsektoren, die unserer Einschätzung nach am meisten von staatlichen Anreizen profitieren werden, sind Batterien (einschließlich kritische mineralische Rohstoffe) und Energiespeicherung, Wasserstoffbrennstoff und Infrastrukturinvestitionen im Zusammenhang mit längerfristigen Kohlenstoffbindungsprojekten, wodurch zusätzliche Möglichkeiten im M&A-Bereich entstehen.
Wir rechnen mit einem verstärkten Fokus auf staatliche Regulierungen im Rahmen des geopolitischen Risikos, wodurch die Attraktivität von Investitionen in verschiedenen Regionen bei der Analyse der Deals 2024 entweder steigen oder sinken wird.
Die Versorgungssicherheit ist ein vorherrschendes Thema in der gesamten EU&R-Branche, insbesondere im Hinblick auf zukünftige Wachstumschancen in Verbindung mit der EV-Wertschöpfungskette (mit Auswirkungen auf die gesamte EU&R-Branche) und im Falle von Energie und Versorgung im Hinblick auf Energiesicherheit im Speziellen. Zunehmende geopolitische Spannungen werden vermutlich dafür sorgen, dass die Versorgungssicherheit für die CEOs eine Priorität bleibt.
Die Versorgungssicherheit in Kombination mit dem Anstieg der Energie- und Infrastrukturpreise hat auch zu einem Wachstum im Behind-the-Meter-Energiemanagement und bei Lösungen für die Energieerzeugung vor Ort geführt.
Die Anzahl der Unternehmen, die ihre eigene Energie vor Ort erzeugen, ist stark im Steigen – etwa Technologieunternehmen, die ihre Datenzentren mit Solaranlagen und Windkraftanlagen betreiben, oder Fachmärkte, die auf ihren Dächern Solar- und Biogasanlagen anbringen und so ihre Märkte und Vertriebszentren mit Energie versorgen. Wir gehen davon aus, dass Bedenken hinsichtlich Versorgung, Energiepreise und die zunehmende Verfügbarkeit von Technologie und digitalen Energieplattformen weiterhin für ein hohes Investitionsniveau in diesen Bereichen sorgen werden.
In unsicheren Zeiten müssen Unternehmen ihr Portfolio im Vergleich mit ihrer Kernstrategie neu bewerten und wichtige Entscheidungen über Investitionen treffen. Für uns ist die Portfoliooptimierung ohnehin ein kontinuierlicher Prozess, aber im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld kann sie auch ein Muss sein.
Die Portfoliooptimierung kann viele Formen annehmen, zum Beispiel eine Entscheidung, nicht zum Kerngeschäft gehörende Bereiche zu veräußern oder auszugliedern. In anderen Fällen können Vermögenswerte, die hinter den Erwartungen zurückbleiben, für eine Performance-Verbesserung vorgemerkt werden, um besser auf zukünftige wirtschaftliche Gegenwinde vorbereitet zu sein.
M&A-Volumen und -Werte in der EU&R-Branche stiegen zwischen 2022 und 2023 um 1 % bzw. 26 %.
Während in vielen anderen Sektoren weniger Deals abgeschlossen wurden, blieb die EU&R-Branche in dieser Hinsicht aktiv. Wie oben bereits erörtert, betrachten Investoren den Sektor aufgrund seiner Bedeutung für die Energiewende als attraktiv.
Die Erhöhung der Deal-Werte 2023 war teilweise auf einen Anstieg der Anzahl an Megadeals (Transaktionen mit einem Wert von mehr als 5 Mrd. USD) von sechs im Jahr 2022 auf 15 im Jahr 2023 zurückzuführen. Die meisten dieser Deals wurden in den Öl & Gas- sowie Bergbausektoren abgeschlossen.
Fünf der 15 Megadeals des Jahres 2023 wurden im vierten Quartal angekündigt und machten wertmäßig fast 150 Mrd. USD aus. Dies sorgte für positive Impulse beim Abschluss von Deals bis ins Jahr 2024.
Durch leichten Zugang zu Kapital, eine anhaltende Investitionsbereitschaft, den Wunsch eines schnelleren Erreichens des Netto-Null-Ziels und mehr staatliche Regulierungen prognostizieren wir für 2024 erfolgreiche Deals in der EU&-R-Branche. Unternehmen mit starken Bilanzen werden am erfolgreichsten sein, weil wirtschaftliche Gegenwinde kurzfristig einige Unternehmen von der Teilnahme abhalten werden.
Für Unternehmen mit bisher nicht verwendeten Kapitalpools lässt sich aufgrund der Rückenwinde für einen großen Teil der EU&R-Branche davon ausgehen, dass 2024 das Jahr des Durchbruchs für Transformations-Deals sein könnte.
Sind Sie darauf vorbereitet?
Michael Sponring
National Deals Energy, Utilities, Mining and Industrials Leader, Partner, PwC Canada