02/06/22
Ein Unternehmen kann Verluste aus bestehenden Verträgen erleiden. Laufen diese Verträge nach einem Unternehmenszusammenschluss weiter, erleidet das zusammengeschlossene Unternehmen die Verluste weiterhin, falls sich die Marktbedingungen nicht geändert haben. Erwerber müssen daher besonders darauf achten, ob das Target belastende Verträge zu erfüllen hat, bzw. wie diese Verträge beim Unternehmenszusammenschluss zu berücksichtigen und anzusetzen sind.
Sind die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen höher, als der erwartete wirtschaftliche Nutzen, spricht man von einem belastenden Vertrag (IAS 37.10). Unvermeidbare Kosten eines Vertrages sind der Mindestbetrag der Nettokosten, die bei Ausstieg aus dem Vertrag anfallen. Sie stellen den niedrigeren Betrag von Erfüllungskosten und etwaigen aus der Nichterfüllung resultierenden Entschädigungszahlungen oder Strafgeldern dar (IAS 37.68). Vertragserfüllungskosten sind solche, die dem Vertrag direkt zurechenbar sind, wie u.a. direkte Lohn- und Materialkosten, oder die anteilige Abschreibung einer zur Vertragserfüllung genutzten Sachanlage.
Normalerweise begründet ein Vertrag sowohl Rechte als auch Verpflichtungen für jede Vertragspartei. Wenn die Umstände dazu führen, dass ein solcher Vertrag belastend wird, fällt der Vertrag unter den Anwendungsbereich des IAS 37. In dem Fall ist eine Schuld anzusetzen (IAS 37.67). Bevor das Unternehmen die gegenwärtige vertragliche Verpflichtung als Rückstellung für einen belastenden Vertrag ansetzt und bewertet, ist ein etwaiger Wertminderungsaufwand für die bei Vertragserfüllung genutzten Vermögenswerte anzusetzen (IAS 37.66 iVm .69). Verträge, die nicht belastend und noch zu erfüllen sind, fallen nicht unter IAS 37.
Als ersten Schritt muss der Käufer beim Unternehmenserwerb identifizieren, ob es sich tatsächlich um belastende Verträge im gekauften Unternehmen handelt, denn nicht alle unrentablen Betriebe des Targets deuten auf belastende Verträge hin (IFRS 3.B52(b)(i)). Wird ein belastender Vertrag beim Unternehmenserwerb identifiziert, ist dieser als Verbindlichkeit anzusetzen (IAS 37.66). Bei der Bewertung eines belastenden Vertrags sollte ein Erwerber erwägen, ob der anzusetzende Betrag für bereits angesetzte immaterielle Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten um günstige oder ungünstige Vertragsbedingungen im Vergleich zu aktuellen Marktbedingungen berichtigt werden sollte.
Beim Ansatz einer Verbindlichkeit für einen belastenden Vertrag sollte der Erwerber belastbare Nachweise für wesentliche Annahmen haben, wie z.B. für den Marktpreis, die unvermeidbaren Kosten der Vertragserfüllung, die Herstellungs- und Dienstleistungskosten. Wenn bspw. das erworbene Unternehmen für die Erfüllung eines Festpreisvertrags über eine feste Anzahl von Bauteilen vertraglich verpflichtet ist und die unvermeidbaren Kosten der Vertragserfüllung den vertraglich festgelegten Kaufpreis übersteigen erleidet das erworbene Unternehmen Verluste. Es wird erwartet, dass das zusammengeschlossenen Unternehmen in Zukunft auch Verluste aus dem Verkauf von Bauteilen aus diesem Vertrag erwirtschaften wird. Der Erwerber muss erwägen, welche Vermögenswerte und Schulden iZm diesem Vertrag erfasst werden sollten und wie sie bewertet werden sollten.
zu produzierende Bauteile nach dem Unternehmenszusammenschluss | 2000 |
vertraglich vereinbarter Preis pro Bauteil | GE 40 |
unvermeidbare Kosten pro Bauteil | GE 53 |
Marktpreis pro Bauteil | GE 50 |
Als erstes muss der Käufer den Buchwert der ungünstigen Vertragskomponente berechnen. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Marktpreis pro Bauteil und den vertraglich vereinbarten Preis pro Bauteil, multipliziert mit der Anzahl der zu produzierenden Bauteile nach dem Unternehmenszusammenschluss.
(GE 50 - GE 40) * 2.000 = GE 20.000
Der Fair Value zum Zeitpunkt des Unternehmenszusammenschlusses dieser ungünstigen Vertragskomponente wird vom Erwerber als Verbindlichkeit angesetzt.
Den belastenden Teil des Vertrages berechnet man, indem die Differenz aus den unvermeidbaren Kosten pro Bauteil und den Marktpreis pro Bauteil mit der Anzahl der zu produzierenden Bauteile nach dem Unternehmenszusammenschluss multipliziert werden. Der belastende Teil des Vertrages beträgt in dem Fall
(GE 53 - GE 50) * 2.000 = GE 6.000
Auf den Fair Value zum Zeitpunkt des Unternehmenszusammenschlusses des belastenden Teiles des Vertrages wird eine Rückstellung gebildet.
Wäre der Marktpreis höher als die unvermeidbaren Kosten, würde der Erwerber keine Rückstellung bilden müssen. Er müsste nur den Fair Value der ungünstigen Vertragskomponente als Verbindlichkeit ansetzten.
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