Schlussanträge des Generalanwalts zu Verrechnungspreisen und Umsatzsteuer

In Österreich betrifft es die Normalwertregelung gem. § 4 Abs 9 UStG: Am 3. April 2025 wurden die Schlussanträge des Generalanwalts („GA“) de la Tour in der Rs SC Arcomet Towercranes (C-726/23) veröffentlicht. Nachdem sich GA Kokott in der Rs Högkullen AB (C-808/23) Anfang März mit der Frage, inwieweit ertragsteuerlich definierte Verrechnungspreise für Zwecke der Umsatzsteuer anzuerkennen sind, beschäftigt hat (siehe dazu unseren Newsletter vom 12. März 2025), befasst sich GA de la Tour nun mit den umsatzsteuerlichen Auswirkungen von Verrechnungspreisanpassungen („VP-Anpassungen“).

Sachverhalt

Die SC Arcomet Towercranes SRL (Tochtergesellschaft) ist Teil des Arcomet-Konzerns. Die rumänische Tochtergesellschaft kauft oder mietet Kräne und verkauft oder vermietet diese an ihre Kunden. Die belgische Muttergesellschaft übernimmt diverse operative Tätigkeiten (Strategie und Planung, Verhandlung der Lieferanten- und Finanzierungsverträge, Ingenieursleistungen, Finanzen, Fuhrparkmanagement, Qualitäts- und Sicherheitsmanagement) und trägt laut Sachverhalt die wesentlichen wirtschaftlichen Risiken, die mit der Tätigkeit der Tochtergesellschaft verbunden sind.

Zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft wurde eine marktübliche Gewinnspanne nach der Nettomargenmethode („TNNM“) auf Basis einer durchgeführten Verrechnungspreisstudie vereinbart.

Da die Gewinnspanne der rumänischen Tochtergesellschaft über der marktüblichen Bandbreite lag, stellte die belgische Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft eine Ausgleichszahlung in Rechnung. Die rumänischen Behörden waren der Auffassung, dass die Ausgleichszahlung der Mehrwertsteuer unterliege, versagte aber gleichzeitig den Vorsteuerabzug der rumänischen Tochtergesellschaft mangels Nachweises der Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit. Das rumänische Berufungsgericht ersuchte folglich den EuGH um Vorabentscheidung zu untenstehenden Fragen.

Vorlagefragen

  • Unterliegt die Ausgleichszahlung (VP-Anpassung) der Mehrwertsteuer?
  • Sofern die VP-Anpassung der Mehrwertsteuer unterliegt:  Können als Nachweis für die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs neben einer Rechnung auch weitere Unterlagen vom Steuerpflichtigen verlangt werden, um die Nutzung der erworbenen Dienstleistungen für die Zwecke der besteuerten Umsätze nachzuweisen.

Ansicht des GA

  • Laut Ansicht des GA könne die Frage, ob VP-Anpassungen der Mehrwertsteuer unterliegen, nicht pauschal beantwortet werden, sondern müsse im Einzelfall geprüft werden. IRd Einzelfallprüfung sei zu untersuchen, ob Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht wurden, dh ein Rechtsverhältnis zwischen Leistenden und Leistungsempfänger und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert vorliegt.
  • Der GA bejaht dies im vorliegenden Fall: Sowohl Leistung als auch Gegenleistung seien aus der Vereinbarung klar bestimmbar. Der Umstand, dass die Höhe der Vergütung an sich unbestimmt ist, sei nicht schädlich, da die Modalitäten der Vergütung klar festgelegt sind. Auch der unmittelbare Zusammenhang sei gegeben, da die von der Muttergesellschaft erbrachten Dienstleistungen sich auf die Gewinnspanne der Tochtergesellschaft auswirke, ua dadurch, dass sie bei der Tochtergesellschaft Einsparungen oder einen besseren Kundenservice ermöglicht.
  • Hinsichtlich der Nachweispflichten iZm dem Vorsteuerabzug, können laut GA auch andere Dokumente als die Rechnung als Nachweis verlangt werden, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werde und die Dokumente geeignet seien, die Verwendung der Dienstleistung für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen zu belegen.

Anmerkungen

  • Nachträgliche VP-Anpassungen zwischen verbundene Unternehmen (sogenannte „true-ups“ bzw „Year-End Adjustments“) erfolgen idR aus ertragsteuerlichen Gründen - insb. für Zwecke des Fremdvergleichs. Wie bereits in unserem Newsletter vom 12. März 2025 angemerkt, sieht die Umsatzsteuer grundsätzlich keinen Fremdvergleich vor (Ausnahme: Normalwertregelung). Die MwStRL (ebenso das UStG) sehen für VP-Anpassungen keine konkrete Regelung vor. Ob VP-Anpassungen daher umsatzsteuerlich zu beachten sind, ist bislang nicht eindeutig geklärt und wird von den Mitgliedstaaten teils unterschiedlich beurteilt.
  • Laut GA unterliegen VP-Anpassungen jedenfalls dann der Umsatzsteuer, wenn diese iZm einer erbrachten Leistung erfolgen und die Modalitäten festgelegt sind.
  • Bisherige Praxis in Österreich: Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind nachträgliche VP-Anpassungen grundsätzlich umsatzsteuerlich zu beachten – entweder iRd Normalwertregelung gem § 4 Abs 9 UStG (mit ex tunc-Wirkung; insb für Banken und Versicherungen relevant) oder als Änderung der Bemessungsgrundlage iSd § 16 UStG (mit ex nunc-Wirkung) (vgl Rz 522f VPR).
  • Von der Berichtigung kann laut VPR nur abgesehen werden, wenn diese auf das Steueraufkommen keine Auswirkung haben und wenn hierdurch keine Störung des Informationssystems über innergemeinschaftliche Warenlieferungen und Dienstleistungen (MIAS) eintritt. Bei nicht voll vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern wird eine Berichtigung aber immer Auswirkungen auf das Steueraufkommen haben und kann daher nicht unterbleiben.
  • Da Anpassungen wie Year-End Adjustments oftmals pauschale Anpassungen sind, kann die Zurechnung zu einzelnen Leistungen in der Praxis oft schwierig sein. Der GA scheint im gegenständlichen Fall eine pauschale Zuordnung vorzunehmen. Dies scheint zumindest für den Fall, dass eine Änderung der Bemessungsgrundlage gem § 16 UStG vorliegt, möglich, da sich hier die VP-Anpassung für alle erbrachten Leistungen im gleichen Zeitpunkt auswirkt - nämlich im Zeitpunkt der VP-Anpassung (ex-nunc Wirkung). Zu praktischen Schwierigkeiten kann es jedoch führen, wenn die erbrachten Leistungen unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten erbracht wurden und die Normalwertregelung (mit ex tunc-Wirkung) anwendbar ist, da in diesem Fall die VP-Anpassung auf die einzelnen Leistungen aufzuteilen wäre, um eine korrekte Nachversteuerung zu ermöglichen. Anhand welcher Kriterien eine Aufteilung einer pauschalen VP-Anpassung vorgenommen werden kann, scheint fraglich.

Vorerst bleibt abzuwarten, in welche Richtung die EuGH-Rsp zur umsatzsteuerlichen Behandlung von VP-Anpassungen gehen wird. Neben der Rs SC Arcomet Towercranes SRL ist ein weiteres Verfahren mit potenziellem Einfluss auf die Normalwertregelung gem § 4 Abs 9 UStG anhängig: in der Rs Stellantis Portugal S.A. (C-603/24).

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