Um der missbräuchlichen Verwendung substanzschwacher Gesellschaften (sog. „Shell Companies“) für die Erzielung von Steuervorteilen vorzubeugen, sollen mit einer weiteren Änderung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU (kurz „ATAD3“, derzeit noch ein Richtlinienentwurf) neue Substanzanforderungen für in der EU ansässige Gesellschaften festgelegt und damit Briefkastengesellschaften der Kampf angesagt werden.
Betroffene Gesellschaften, die das sogenannte „Gateway“ passieren, werden in Zukunft verpflichtet sein, bestimmte Substanzindikatoren in ihrer Jahressteuererklärung offenzulegen bzw. nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, greifen weitreichende steuerliche Folgen (z.B. Verweigerung der Ansässigkeitsbescheinigung).
Zwar müssen betroffene Unternehmen die Substanzindikatoren voraussichtlich erst ab dem Wirtschaftsjahr 2024 offenlegen. Aufgrund eines 2-jährigen Beobachtungszeitraums sind allerdings schon Strukturen ab dem Wirtschaftsjahr 2022 für die Beurteilung relevant. Deshalb ist jetzt die Zeit, sich mit den Anforderungen des ATAD3-Entwurfs auseinanderzusetzen und dessen mögliche Auswirkungen zu prüfen.
ATAD3 gilt für alle in der EU ansässigen Rechtsträger, unabhängig von ihrer Rechtsform, der Höhe des Umsatzes etc. Maßgeblich ist somit allein die steuerliche Ansässigkeit in einem EU-Mitgliedstaat und das Ausüben einer wirtschaftlichen Tätigkeit.
Von den Verpflichtungen der ATAD3 ausgenommen sind nach dem Richtlinienentwurf nur:
Passiert eine Gesellschaft das Gateway, müssen im Rahmen der Jahressteuererklärung folgende Umstände offengelegt werden:
Ist auch nur einer der Substanzindikatoren nicht erfüllt oder können sie nicht ausreichend belegt werden, wird vonseiten der Finanzverwaltung vermutet, dass es sich um eine substanzschwache Gesellschaft im Sinne des ATAD3-Entwurfs („Shell Company“) handelt. Kann diese Vermutung nicht mittels Darlegens der wirtschaftlichen Gründe für die Gründung des Unternehmens widerlegt werden und konnte keine Befreiung von den Verpflichtungen der ATAD3 erwirkt werden, greifen die im Richtlinienentwurf vorgesehen steuerlichen Folgen, insbesondere:
Darüber hinaus sieht der Richtlinienentwurf auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen (automatischer Informationsaustausch sowie die Möglichkeit, ausländische Finanzverwaltungen um das Durchführen von Betriebsprüfungen aufzufordern) und Strafen bei Verstößen in Höhe von mindestens 5% des Umsatzes des Unternehmens im betreffenden Wirtschaftsjahr vor.
Nach einstimmiger Annahme des Richtlinienänderungsvorschlags sollen die Vorgaben der ATAD3 bis 30. Juni 2023 in nationales Recht umgesetzt und ab 1. Jänner 2024 anwendbar sein. Eine allfällige Meldung der Substanzindikatoren ist somit erst ab dem Wirtschaftsjahr 2024 erforderlich
Aufgrund der zu erwartenden zeitnahen Umsetzung der ATAD3 Richtlinie und dem 2-jährigen Beobachtungszeitraum empfehlen wir Ihnen jedoch, sich bereits jetzt im Detail mit den geplanten Neuregelungen auseinanderzusetzen. Haben Sie Fragen oder brauchen Unterstützung?
12. Mai 2022
ECON schlägt Anpassungen des Richtlinienentwurfs vor
Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments (ECON) hat im Mai 2022 im Rahmen eines Draft Reports diverse Änderungen zum derzeitigen Richtlinienentwurf vorgeschlagen. Neben Anpassungen der "Gateway-Kriterien" enthält der Draft Report u.a. die Empfehlung, die Richtlinie erst mit 1. Jänner 2025 wirksam werden zu lassen. Wird dieser Vorschlag angenommen, beginnt der 2-jährige Beobachtungszeitraum erst am 1. Jänner 2023 (und nicht bereits am 1. Jänner 2022) zu laufen, wodurch Steuerpflichtigen mehr Zeit eingeräumt wird, auf die Vorgaben der ATAD3 zu reagieren.