Der Jahresabschluss ist grundsätzlich gemäß § 277 Abs 1 und 2 UGB spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag offenzulegen. Abweichend hiervon sieht das Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG) eine Fristverlängerung auf 12 Monate für Stichtage bis einschließlich dem 30.09.2021 vor. Wurde der Jahresabschluss nicht rechtzeitig offengelegt, kann von einer Zwangsstrafe gemäß § 283 Abs 2 UGB nur bei einer offenkundigen Hinderung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis bis zu vier Wochen nach Wegfall des Hindernisses abgesehen werden.
Ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis gemäß § 283 Abs 2 UGB ist nach ständiger Rechtsprechung und Literatur dem Begriff in der Zivilprozessordnung iSv § 146 ZPO gleichzusetzen. Unvorhergesehen ist ein Ereignis demnach, wenn auch unter Einbeziehung der subjektiven, zumutbaren Aufmerksamkeit das Ereignis nicht miteinkalkuliert werden konnte. Zusätzlich müssen von den gesetzlichen Vertretern alle zumutbaren Maßnahmen vorgenommen werden, um eine fristgerechte Offenlegung zu gewährleisten. Als unabwendbar ist ein Ereignis dann zu qualifizieren, wenn nach objektiven Maßstäben der Eintritt eines bestimmten Ereignisses nicht hätte verhindert werden können, obwohl dieses vorhersehbar war. Weiters müssen diese Ereignisse kausal für die nicht fristgerechte Offenlegung sein, um einen legitimen Hinderungsgrund darzustellen. Die Rechtsprechung legt diese Begriffe sehr restriktiv aus.
Beispielsweise wurde von der Judikatur festgehalten, dass ein allgemeiner Verweis auf die Corona Pandemie als Hinderungsgrund für die Offenlegung nicht ausreichend ist. Weiters ist kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis anzunehmen, wenn vertragliche Aspekte noch nicht gänzlich aufgeklärt werden konnten, einzelne Bilanzpositionen mit Unsicherheit behaftet sind oder es zu internen Unstimmigkeiten gekommen ist. Vielmehr sind im Sinne des Vorsichtsprinzips gemäß § 201 Abs 2 Z 4 UGB erkennbare Risiken und drohende Verluste in die Bilanz aufzunehmen. So wurde auch in jüngster Rechtsprechung (OGH 6 Ob 126/21d) dargelegt, dass beispielsweise in Hinblick auf strittige Forderungen das Risiko durch Rückstellungen in der Bilanz zu berücksichtigen ist, wenn die Forderungen dem Grunde nach bestehen, aber in ihrer Fälligkeit oder Höhe bestritten werden und somit solche Unsicherheiten grundsätzlich keinen Hinderungsgrund für die Offenlegung darstellen. Ebenso zählt eine Betriebsprüfung, die Beschlagnahmung von Unterlagen während eines Strafverfahrens aber auch die Unauffindbarkeit von Buchhaltungsunterlagen nicht zu unabwendbaren bzw unvorhergesehenen Ereignissen. Auch das Alter oder eine chronische Erkrankung eines gesetzlichen Vertreters kann für sich alleine genommen nicht als hinderndes unvorhergesehenes Ereignis im Hinblick auf die Offenlegung des Jahresabschlusses angesehen werden. Das Unternehmen hat sich auf diesen Zustand einzustellen und muss entsprechend darauf reagieren. Dasselbe gilt für eine bloß vorübergehende Einstellung der Geschäftstätigkeit.
Ein Server-Ausfall bei Gericht am letzten Tag der Offenlegungsfrist wird hingegen als unvorhergesehenes bzw unabwendbares Ereignis eingestuft. Gleiches gilt für das Fehlen erforderlicher Gesellschaftsorganvertreter, wenn dadurch das rechtzeitige Einreichen des Jahresabschlusses in vertretungsbefugter Zahl nicht möglich ist. Dies jedoch nur, wenn zuvor ein Notgeschäftsführer beantragt wurde. Von einer Zwangsstrafe kann weiters abgesehen werden, wenn ein berufsmäßiger Parteienvertreter, wie beispielsweise ein Notar, es unterlässt den Jahresabschluss fristgerecht einzureichen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der gesetzliche Vertreter des Unternehmens seinen Kontrollpflichten bezüglich der fristgerechten Einreichung nachkommen muss. Hierbei sind das Nachfragen und der Erhalt einer positiven Rückmeldung des jeweiligen Parteienvertreters ausreichend, obwohl eine tatsächliche Offenlegung nie erfolgte. Diese speziellen Gründe können daher taugliche Hindernisse für die Offenlegung des Jahresabschlusses darstellen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass grundsätzlich Umstände innerhalb der Sphäre des Unternehmens, die eine Verzögerung der Offenlegung nach sich ziehen, nicht als unabwendbare bzw unvorhergesehene Ereignisse einzustufen sind und dementsprechend nicht zur vorübergehenden Aussetzung von Zwangsstrafen führen.