In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat sich der VwGH mit der Bildung von (steuerrechtlichen) Drohverlustrückstellungen im Zusammenhang mit verlustbringenden Filialen aus nicht ordentlich kündbaren Mietverhältnissen beschäftigt. Im vorliegenden Fall wurden Filialen trotz Erwirtschaftung negativer Deckungsbeiträge weiterhin betrieben, weil eine gänzliche Schließung einen noch größeren Verlust herbeigeführt hätte. Das betroffene Unternehmen hat eine Drohverlustrückstellung für die Inäquivalenz zwischen dem geminderten Wert des Standorts und der zu hohen Miete angesetzt (VwGH 7. 4. 2022, Ro 2021/13/0009). Grund für diese Inäquivalenz war eine nachträgliche Verschlechterung der Attraktivität der betroffenen Standorte aufgrund einer Änderung externer Faktoren.
Der VwGH hat festgehalten, dass eine Drohverlustrückstellung in diesem Fall nicht zu bilden sei, da das Absinken der Marktmiete resultierend aus einer Standortverschlechterung bloß auf das allgemeine Geschäftsrisiko zurückzuführen ist und daher die Voraussetzungen für die Bildung einer (steuerrechtlichen) Drohverlustrückstellung dem Grunde nach nicht gegeben sind. Darüber hinaus sei eine konkrete Zuordnung der Verluste zu den jeweiligen Mietverträgen ebenfalls nicht möglich. Anders wäre dieser Fall nach Auffassung des VwGH zu beurteilen, wenn die angemieteten Räumlichkeiten nutzlos geworden wären.
Aus unternehmensrechtlicher Perspektive sind Drohverlustrückstellungen gem § 198 Abs 8 Z 1 UGB für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden, wenn die Verluste aus Sicht des Bilanzstichtags wahrscheinlich oder sicher eintreten werden, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder des Zeitpunkts ihres Eintritts noch unbestimmt sind. Voraussetzung ist jeweils eine Außenverpflichtung, daher ein Leistungsverhältnis mit einem Dritten. Weiters ist zu beachten, dass schwebende Rechtsverhältnisse grundsätzlich nicht in der Bilanz ausgewiesen werden, weil davon ausgegangen wird, dass sie sich gegenseitig ausgleichen. Ausschlaggebend für eine Drohverlustrückstellung ist immer ein Missverhältnis zwischen der eigenen Leistungsverpflichtung und der Gegenleistung. Droht aus diesem Missverhältnis ein Verlust, so ist dieser bestmöglich zu schätzen und in Form einer Rückstellung zu antizipieren. Bei einem Mietverhältnis steht die Leistungsverpflichtung des Mieters (Zahlung des Mietentgelts) dem Wert des eingeräumten Nutzungsrechts an den gemieteten Räumlichkeiten gegenüber. Übersteigen die verpflichtenden Mietzahlungen aus unkündbaren Dauerschuldverhältnissen den Wert des Nutzungsrechts, so ist für den aus Sicht des Mieters drohenden Aufwandsüberschuss mittels Drohverlustrückstellung vorzusorgen.
Der beizulegende Wert des Nutzungsrechts ist aus Sicht des Mieters in seiner betriebsbezogenen Gesamtheit am Bilanzstichtag im Hinblick auf die ausstehende Laufzeit den Mietzahlungen gegenüberzustellen. Daher sind neben den künftigen Mietaufwendungen ggf künftige auf die gemieteten Räumlichkeiten bezogene Erträge und Aufwendungen, welche idR im Rahmen einer Kostenrechnung ermittelt werden, einzubeziehen. Gesunkene Ertragschancen oder eine geringere Gewinnmarge rechtfertigen keine Drohverlustrückstellung. Auch im Vergleich zu Marktkonditionen höhere zu zahlende Mieten sind bei der Ermittlung eines möglichen Verlusts nicht zu berücksichtigen. Im Falle einer gänzlichen Schließung einer verlustbringenden Filiale, wie es während Covid-19 oftmals eintrat, ist – sofern man sich dem drohenden Aufwandsüberschuss zukünftig nicht entziehen kann - bei Leerstand eines Geschäftslokals die Bildung einer Drohverlustrückstellungen in Höhe der zu erwartenden Mietaufwendungen geboten.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Dotierung einer Rückstellung für Mietaufwendungen von Verlustfilialen aus unternehmensrechtlicher Sicht, bei Erfüllung der oben dargestellten Voraussetzungen, grundsätzlich zulässig bzw geboten ist. Aus diesem Grund kann die Entscheidung des VwGH, unter gewissen Umständen, zu einer Durchbrechung der Maßgeblichkeit führen.