Bilanzpolitische Gestaltungsspielräume und deren Grenzen

Aufgrund der Bilanzskandale der letzten Jahre und der fortlaufenden Corona-Pandemie ist es von Bedeutung, sich mit den Grundzügen der Bilanzpolitik bekanntzumachen sowie deren Grenzen zu kennen. Unter Bilanzpolitik wird die Gestaltung des Jahres- bzw Konzernabschlusses (in weiterer Folge wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit lediglich auf den Jahresabschluss Bezug genommen, die Ausführungen gelten jedoch in gleicher Weise für den unternehmensrechtlichen Konzernabschluss) im Rahmen der gesetzlichen Grenzen verstanden. Durch gezielte Anwendung von Wahlrechten können im Jahresabschluss verschiedene bilanzpolitische Ziele erreicht werden - unter anderem die Maximierung oder Minimierung des Jahresüberschusses, die Ergebnisglättung über einen bestimmten Zeitraum oder das Erreichen bestimmter Zielgrößen.

Unter der realen Bilanzpolitik wird die konkrete Sachverhaltsgestaltung subsumiert. Solche Maßnahmen werden vor dem jeweiligen Bilanzstichtag getroffen, um bewusst Auswirkungen auf den Jahresabschluss zu erreichen. Durch die Beeinflussung des Lieferzeitpunkts von Waren, den Erwerb oder Verkauf von Vermögensgegenständen und das Gewähren von Preisnachlässen zu einem bestimmten Zeitpunkt, können unterschiedliche Ergebnisse erreicht werden. Aus langfristiger Sicht kann auch auf die konkrete Vertragsgestaltung und auf die Umstrukturierung des Unternehmens Bedacht genommen werden. Auch die Vor- oder Nachverlagerung von Geschäftsfällen, beispielsweise durch die Fertigstellung langfristiger Aufträge oder die Verschiebung von Instandhaltungsmaßnahmen in das neue oder alte Geschäftsjahr, ist ein wirksames Instrument zur Ausgestaltung von Sachverhalten.

Die buchmäßige Bilanzpolitik umfasst die bilanzielle Abbildung von Geschäftsfällen. Hierbei kann die Ausübung von gesetzlichen Ansatz- und Bilanzierungswahlrechten die Darstellung des Jahresabschlusses verändern. Folgende Bilanzansatzwahlrechte finden sich im UGB bzw in den einschlägigen Stellungnahmen des AFRAC: 

  • Die gem § 204 Abs 1a UGB bestehende Möglichkeit, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringwertiger Vermögensgegenstände des abnutzbaren Anlagevermögens im Jahr ihrer Anschaffung oder Herstellung sofort abzuschreiben. Steuerlich liegt die Grenze für die Sofortabschreibung sog „GWG“ derzeit bei 800 €, jedoch ist eine Erhöhung auf 1.000 € im Rahmen der ökosozialen Steuerreform geplant. 
  • Die Möglichkeit der Aktivierung des Umgründungsmehrwertes bei einer Buchwertumgründung gem § 202 Abs 2 Z 2 UGB.

  • Die Bilanzierung von „echten“ Investitionszuschüssen wahlweise nach der Brutto- oder der Nettomethode (AFRAC 6, Rz 23)

  • Passivierungswahlrecht für Aufwandsrückstellungen: Gem § 198 Abs 8 Z 2 UGB dürfen Rückstellungen für ihrer Eigenart nach genau umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher, aber hinsichtlich ihrer Höhe oder ihres Eintrittszeitpunkts unbestimmt sind, gebildet werden.

  • Die Aktivierung aktiver latenter Steuern bei kleinen Kapitalgesellschaften, sofern die unverrechneten Be- und Entlastungen im Anhang aufgeschlüsselt werden, ist wahlweise möglich. Wenn sich die aktiven latenten Steuern aus steuerlichen Verlustvorträgen ergeben, ist ein Wahlrecht für alle Gesellschaftsgrößen vorgesehen (vgl § 198 Abs 9 UGB).

Ein weiteres wichtiges Instrument stellt die Ausübung von Bewertungswahlrechten dar:

  • Bei Finanzanlagevermögen kann gem § 204 Abs 2 UGB eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert auch erfolgen, wenn die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer ist.

  • Gem § 211 Abs 1 UGB kann der Erfüllungsbetrag von Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen, Jubiläumsgeldzusagen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen statt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen auch durch eine finanzmathematische Berechnung ermittelt werden, sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen. 

  • § 203 Abs 4 UGB normiert bei Ansatz der Herstellungskosten ein Wahlrecht zur Miteinbeziehung von Fremdkapitalzinsen, wenn diese im Zusammenhang mit der Herstellung stehen. 

Des Weiteren finden sich auch Ermessenspielräume für die Wertansätze im UGB: 

  • Verschiedene Methoden zur planmäßigen Abschreibung wie beispielsweise die lineare, progressive, degressive oder leistungsbezogene Abschreibung, unter Berücksichtigung des tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzenverlaufs, sind möglich. 

  • Als weiterer Ermessensspielraum lässt sich die Schätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer eines Vermögensgegenstandes nennen. Dafür ist maßgeblich, wie lange dieser voraussichtlich im Betrieb genutzt werden kann. 

Im Zusammenhang mit den dargestellten Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten ist dabei immer auf den Stetigkeitsgrundsatz gemäß § 201 Abs 2 Z 1 UGB Bedacht zu nehmen, nach welchem die gewählten Bilanzierungs – und Bewertungsmethoden des vorhergehenden Jahresabschlusses beizubehalten sind, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu gewährleisten. Ein Abweichen vom Stetigkeitsgrundsatz kommt nur bei Vorliegen besonderer Umstände und unter Beachtung der Generalnorm in Betracht.  So können bspw Änderungen von Gesetzen und Rechtsprechung, strukturelle Änderungen des Unternehmens oder steuerliche Gründe eine Durchbrechung der Bilanzierungs- und Bewertungsstetigkeit rechtfertigen. Eine zulässige Stetigkeitsdurchbrechung ist im Anhang anzugeben und zu begründen. 

Werden hingegen iSv § 189a Z 10 UGB wesentliche Informationen im Jahresabschluss in unvertretbarer Weise bewusst und damit vorsätzlich ausgelassen oder unrichtig dargestellt, spricht man im Gegensatz zur grundsätzlich zulässigen, oben dargestellten Bilanzpolitik von Bilanzmanipulation, die bei Erfüllung der in § 163a StGB zusätzlich genannten Voraussetzungen strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

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