EU-Richtlinienvorschlag zur Vereinfachung der Quellensteuerverfahren in der EU

30/06/23

Am 19.6.2023 hat die Europäische Kommission einen ersten Richtlinienvorschlag mit dem Titel „Faster and Safer Relief of Excess Withholding Taxes“ (abgekürzt „FASTER“) zur Vereinfachung der Verfahren in Zusammenhang mit Quellensteuern auf Dividenden und Zinsen aus börsennotierten Wertpapieren veröffentlicht. Die Richtlinie soll einerseits Quellensteuerentlastungen bzw. -erstattungen erleichtern und beschleunigen und andererseits dazu beitragen, Missbrauch im Zusammenhang mit Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäften zu vermeiden. Die FASTER-Richtlinie soll am 1.1.2027 in Kraft treten.

Quellensteuern auf Erträge aus börsennotierten Wertpapieren

Dividenden und Zinsen aus börsennotierten Wertpapieren unterliegen meist einer Quellensteuer, die die Steuer übersteigt, die der Quellenstaat (d.h. der Staat, aus dem die Dividenden oder Zinsen stammen) nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen dem Quellenstaat und dem Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Erträge tatsächlich einbehalten darf. Diese zu viel einbehaltene Steuer (überschüssige Steuer) ist im Rahmen eines Rückerstattungsverfahrens an den Empfänger der Erträge zu erstatten. Rückerstattungsverfahren sind in vielen Fällen komplex und zeitaufwendig und beinträchtigen somit die Wettbewerbsfähigkeit des EU-Finanzmarktes. Die Europäische Kommission hat folglich den Entschluss gefasst, Quellensteuerverfahren in der EU zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dieses Ziel soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

  • Einführung einer digitalen EU-Ansässigkeitsbescheinigung („EU-wide digital tax residence certificate“ – abgekürzt „eTRC“);
  • Einbindung der Finanzintermediäre in die Quellensteuerverfahren;
  • Einführung eines einheitlichen Systems der Entlastung an der Quelle (Relief at Source System);
  • Einführung eines einheitlichen schnellen Erstattungsverfahrens (Quick Refund System).

Digitale EU-Ansässigkeitsbescheinigung (eTRC)

Die durch die Steuerbehörden in den jeweiligen Mitgliedstaaten grundsätzlich in Papierform ausgestellten Ansässigkeitsbescheinigungen sollen durch für alle Mitgliedstaaten einheitliche digitale EU-Ansässigkeitsbescheinigungen (eTRC) ersetzt werden. Die eTRC soll vom jeweiligen Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist (Wohnsitzmitgliedstaat), ausgestellt werden und folgende Informationen enthalten:

  • Vor- und Nachname, sowie Geburtsdatum und -ort des Steuerpflichtigen, wenn der Steuerpflichtige eine natürliche Person ist, oder Name und die europäische einheitliche Kennnummer (EUID), wenn der Steuerpflichtige eine juristische Person ist;
  • Steueridentifikationsnummer;
  • Anschrift des Steuerpflichtigen;
  • Datum der Ausstellung der eTRC;
  • Zeitraum, der von der eTRC umfasst ist;
  • Bezeichnung der Steuerbehörde, die die eTRC ausstellt;
  • alle zusätzlichen Angaben, die von Bedeutung sein können, wenn die Bescheinigung auch zu anderen Zwecken als der Entlastung von der Quellensteuer ausgestellt wird, oder Angaben, die nach EU-Recht in eine steuerliche Ansässigkeitsbescheinigung aufgenommen werden müssen.

Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die eTRC die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen grundsätzlich für das gesamte Kalenderjahr, in dem die eTRC ausgestellt wird, bescheinigen soll. Die Gültigkeit der eTRC von mindestens einem Kalenderjahr soll aber Mitgliedstaaten nicht daran hindern, eTRC mit einer längeren Gültigkeitsdauer auszustellen.

Mitgliedstaaten sollen die von einem Mitgliedstaat ausgestellte eTRC als angemessenen Nachweis für die steuerliche Ansässigkeit des Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat anerkennen, sofern die eTRC von dem ausstellenden Mitgliedstaat weiterhin als gültig angesehen wird.

Außerdem sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die eTRC innerhalb eines Tages nach Beantragung auszustellen, sofern die für die Ausstellung der eTRC benötigen Unterlagen vorliegen und keine außergewöhnlichen Umstände gegeben sind, die eine Verzögerung rechtfertigen.

Um die Ausstellung der eTRC binnen eines Tages nach Antragstellung zu gewährleisten, sollen die Mitgliedstaaten ein vollautomatisches System für die Ausstellung der eTRC einführen. Das System soll ermöglichen, Anträge über ein Online-Portal zu stellen, zu dem der Steuerpflichtige und die bevollmächtigten Parteien (z.B. Finanzintermediäre, die die eTRC im Namen des Steuerpflichtigen beantragen) Zugang haben.

Die Rolle der Finanzintermediäre im Quellensteuerverfahren

Um ein in der EU einheitliches System der Entlastung an der Quelle bzw. der schnellen Erstattung zu gewährleisten, sollen die in die Auszahlung der Dividenden und Zinsen involvierten Finanzintermediäre (depotführende Institute und Zentralverwahrer) in das Quellensteuerverfahren einbezogen werden. Die Intermediäre sollen nach dem Richtlinienentwurf folgende Aufgaben übernehmen:

  • Due-Diligence-Prüfung: Der Steuerpflichtige (Kunde des Finanzintermediärs) hat dem Finanzintermediär zu bestätigen, dass dieser wirtschaftlicher Eigentümer der Erträge aus den börsennotierten Wertpapieren ist und dass keine finanzielle Vereinbarung (d.h. eine Vereinbarung, nach der das Eigentum an den Wertpapieren an eine andere Person dauerhaft oder vorübergehend übertragen wird; bei einer finanziellen Vereinbarung kann es sich beispielsweise um Repo-Geschäfte, Wertpapierleihe oder derivative Produkte handeln) zum Ex-Tag vorliegt. Weiters hat der Intermediär die Gültigkeit der eTRC und die DBA-Abkommensberechtigung des Steuerpflichtigen zu prüfen und darauf zu achten, dass die Anti-Geldwäschebestimmungen eingehalten werden.
  • Handeln für den Steuerpflichtigen: Die Finanzintermediäre haben grundsätzlich die Entlastung an der Quelle oder die Rückerstattung der überschüssigen Steuer im Auftrag und im Namen des Steuerpflichtigen im Quellenstaat zu beantragen.

Entlastung an der Quelle (Relief at Source System)

Bei einem System der Entlastung an der Quelle soll die Stelle, die zum Steuerabzug verpflichtet ist (bei Dividenden in der Regel die ausschüttende Gesellschaft), nicht mehr Steuer auf Dividenden oder Zinsen einbehalten, die der Quellenstaat auf Basis des anzuwendenden DBAs oder auf Basis anderer nationaler steuerlicher Bestimmungen einbehalten darf. Eine Entlastung an der Quelle soll dann nicht möglich sein, wenn

  • der Steuerpflichtige die Aktien zwei Tage vor dem Ex-Tag erworben hat oder
  • eine finanzielle Vereinbarung zum Ex-Tag vorliegt.

Schnelles Erstattungsverfahren (Quick Refund System)

Im Rahmen des schnellen Erstattungsverfahrens haben Finanzintermediäre innerhalb von 25 Tagen ab Zahlung der Dividende oder Zinsen im Namen des Steuerpflichtigen eine Erstattung der überschüssigen Steuer zu beantragen. Die Steuerbehörde hat die überschüssige Steuer wiederrum innerhalb von 25 Tagen nach Antragstellung zu erstatten. Erfolgt ein Antrag eines Finanzintermediäres bevor sämtliche Finanzintermediäre in der Verwahrkette (siehe dazu nachfolgend) ihre Meldepflichten erfüllt haben, so beginnt die Frist von 25 Tagen für die Erstattung durch die Steuerbehörde ab Erfüllung der Meldepflichten aller involvierten Finanzintermediäre zu laufen. Eine Erstattung der überschüssigen Steuer soll folglich nach dem Richtlinienentwurf innerhalb von 50 Tagen nach Auszahlung der Dividenden oder Zinsen erfolgen.

Nach dem Richtlinienentwurf soll es jedem Mitgliedstaat freistehen, das System der Entlastung an der Quelle, das schnelle Erstattungsverfahren oder beide Systeme kombiniert anzuwenden. Mitgliedstaaten müssen jedoch sicherstellen, dass mindestens eines der beiden Systeme allen Steuerpflichtigen zur Verfügung steht. Innerhalb dieser beiden Systeme soll es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen, z.B. nur Steuerpflichtigen mit geringem Risiko eine Entlastung an der Quelle zu gewähren, während für andere Steuerpflichtige nur das schnelle Erstattungsverfahren zugänglich ist.

Nationale Register der Mitgliedstaaten

Um eine Entlastung an der Quelle oder eine Erstattung im Namen des Steuerpflichtigen beantragen zu können, müssen sich die Finanzintermediäre in separate nationale Register der jeweiligen Quellenstaaten eintragen lassen (Zertifizierung). Hat folglich ein österreichischer Anleger auf seinem Depot bei einer österreichischen Bank z.B. deutsche und französische Aktien, so ist ein Eintrag der Bank in das deutsche und französische nationale Register erforderlich.

Große Finanzinstitute im Sinne von Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/201324 und Zentralverwahrer im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 909/201425, die Dienstleistungen hinsichtlich der Abwicklung der Quellensteuer erbringen, sollen verpflichtet sein, sich als Intermediäre zu zertifizieren. Alle anderen Finanzintermediäre (einschließlich derjenigen, die in einem Drittland ansässig sind), die spezifische Anforderungen erfüllen, können sich zertifizieren lassen.

Das nationale Register soll folgende Informationen über die zertifizierten Finanzintermediäre enthalten:

  • Name des zertifizierten Finanzintermediärs;
  • Datum der Eintragung;
  • Kontaktangaben und gegebenenfalls Website des zertifizierten Finanzintermediärs;
  • die EUID oder, falls der zertifizierte Finanzintermediär keine solche Nummer hat, den Legal Entity Identifier (LEI) oder eine vom Ansässigkeitsstaat vergebene Registrierungsnummer für juristische Personen.

Das nationale Register ist online zugänglich zu machen und mindestens einmal im Monat zu aktualisieren.

Meldepflichten

Finanzintermediäre sind verpflichtet, binnen 25 Tagen ab dem Record-Tag oder dem Tag der Auszahlung von Zinsen Informationen insbesondere zum Steuerpflichtigen, zur ausschüttenden Gesellschaft und zu den Erträgen aus dem Wertpapier (Details siehe Anhang II zum Richtlinienentwurf) an die zuständigen Steuerbehörden des Quellenstaates zu melden, sofern der Finanzintermediär im nationalen Register des Quellenstaates eingetragen ist.

Zu beachten ist, dass eine Meldepflicht nicht nur den Finanzintermediär trifft, der die Wertpapierdepots für die Steuerpflichtigen führt, sondern sämtliche Finanzintermediäre in der Verwahrkette. Dadurch wird sichergestellt, dass die Steuerbehörde im Quellenstaat über sämtliche Informationen verfügt, die erforderlich sind, um den Zahlungsfluss vom Wertpapieremittenten bis zum Anleger zu rekonstruieren.

Die Meldungen der Finanzintermediäre sollen über ein standardisiertes XML-Format erfolgen, das von der Europäischen Kommission festgelegt wird.

Direkter Antrag durch den Steuerpflichtigen an die Steuerbehörde

In den Fällen, in denen die in diesem Richtlinienentwurf vorgesehenen Systeme der Entlastung an der Quelle oder der schnellen Erstattung nicht angewandt werden, soll ein Standard-Erstattungsverfahren zur Verfügung stehen, bei dem der Steuerpflichtige oder sein Vertreter, bei dem es sich nicht unbedingt um ein Finanzinstitut handeln muss, die Erstattung direkt bei der Steuerbehörde beantragen kann. 

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