Ausgabe 114 - Financial Services Aktuell

Der Klimawandel hält Einzug in die Finanzwelt

Auf einen Blick

  • Unternehmen und Finanzinstitute stehen vor der nie da gewesenen Herausforderung die Klimarisiken und -chancen in ihre Geschäftsmodelle und Prozesse zu integrieren
  • Rund 38 % des Unternehmenskreditportfolios der österreichischen Banken sind von den transitorischen Risiken direkt betroffen
  • PwC bietet einen holistischen Lösungsansatz, der den gesamten Lebenszyklus beleuchtet und eine strukturelle Herangehensweise an die Integration der sogenannten ESG (Environmental, Social & Governance) Kriterien darstellt

Einleitung

Wir legen uns bereits im ersten Quartal fest – das Wort des Jahres 2020 wird „Klimawandel“.

Das World Economic Forum (WEF) in Davos dreht sich im Wesentlichen nur um ihn, auch die großen Fondsgesellschaften - wie zum Beispiel Larry Fink, CEO von Blackrock, haben ihre Liebe zur Natur entdeckt. So positiv diese Entwicklung grundsätzlich ist, so unzureichend konkretisierbar sind die Folgen, was der Klimawandel für das Geschäftsmodell von Unternehmen bedeutet.

Um es mit Angela Merkel zu sagen – „Das ist für uns alle Neuland“, stehen wir vor einer völlig neuartigen Art von Herausforderungen, die wahrscheinlich mit den bestehenden Lösungsansätzen und Tools nicht umfassend gelöst werden können. Es bedarf eines gesellschaftlichen Schulterschlusses und einer gemeinsamen Strategie, die alle Sektoren der Wirtschaft gesamthaft einbindet.

Der vorliegende Newsletter ist der Startschuss einer Serie, in der wir den Circle of Life der nachhaltigen Finanzierung aufbauen und unsere Sicht auf ein holistisches Rahmenwerk zur Erarbeitung von Lösungen darlegen wollen. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, uns im ersten Schritt das große Ganze anzusehen und die Zusammenhänge zusammenzufassen.

Die Serie sowie viele weitere interessante Artikel werden in Zukunft in einem eigens dafür geschaffenen Format, dem „Sustainability Newsletter“ veröffentlicht werden – damit behalten Sie immer den Überblick und sind immer auf dem neuesten Stand! Melden Sie sich gleich dafür an!

Der Circle of Life  - die neue Geschäftsnorm der nachhaltigen Finanzierung

Schnellzugriff

  1. Unternehmenstätigkeit (mehr erfahren)
  2. Finanzierungsbedarf (mehr erfahren)
  3. Reporting (mehr erfahren)
  4. Kunden-Scoring (mehr erfahren)
  5. Risikobewertung (mehr erfahren)
  6. Preisgestaltung (mehr erfahren)

1) Unternehmenstätigkeit

Echte Veränderung und echte Ergebnisse können nur durch eine Adaptierung unserer täglichen Abläufe und durch eine Anpassung der wirtschaftlichen Aktivität erreicht werden. Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung und demografische Veränderungen sind Konzepte, die die Business- und Operating Models der Realwirtschaft grundlegend verändern werden. In welchem Ausmaß welche Industrien von welchen Aktivitäten profitieren, sollte einen wesentlichen Programmpunkt der Vorstände und Geschäftsführer in den Strategie-Workshops der nächsten Jahre darstellen. Welche Schritte bei den Unternehmen gesetzt werden, sind hochgradig abhängig von der Branche, in der das Unternehmen tätig ist – die Handelsmarke „Ja Natürlich“ rühmt sich damit, bereits 1‘100t Verpackungsplastik eingespart zu haben, OMV sieht Chancen mit ReOil in der Kreislaufwirtschaft. Die für die Testanlage notwendigen Investitionen in Höhe von 10 Mio Euro sind noch überschaubar, doch sobald eine industrielle Nutzung geplant ist, werden die Kosten signifikant wachsen und eine saubere Finanzierung notwendig werden. 

2) Finanzierungsbedarf

Egal für welche Ziele sich das Unternehmen entscheidet, Maßnahmen werden (wie das ReOil Projekt der OMV zeigt) kurz- und mittelfristig Geld kosten. Inwieweit sich die Investition rechnet, wird einerseits von erwarteten Verschiebungen in der gesamtwirtschaftlichen Situation, andererseits von den Finanzierungskosten abhängen. Es wird entscheidend sein, einen realistischen Business Case für die geplanten Initiativen aufzustellen – eine schwierige Aufgabe, da disruptive Ansätze oftmals schwer mit Erfahrungswerten hinterlegt werden können. Hier kann sich die Erfahrung aus dem Trend der Digitalisierung als hilfreich erweisen, in dem der Umgang mit Disruption geübt werden kann.

3) Reporting

Initiativen wie die Global Reporting Initiative (GRI) haben bereits frühzeitig begonnen, einheitliche Standards zum Reporting von nicht-finanziellen Kennzahlen und / oder Nachhaltigkeitsindikatoren zu setzen. Die gesetzliche Verpflichtung zur nichtfinanziellen Berichterstattung (das NaDiVeG) lässt viel Raum zur Interpretation, was zu einer schwierigen Vergleichbarkeit der Informationen, geschweige denn einer automatisierten Auswertung führt. Einige privatwirtschaftliche Anbieter haben versucht diese Lücke durch Nachhaltigkeitsratings zu schließen. Mangels klarer regulatorischer Vorgaben und mangels offiziellen Mandats, bleiben diese Angebote jedoch das was sie sind – Einschätzungen auf Basis von selbst definierten Kriterien ohne alleinigem Wahrheitsanspruch. Aktuell liefern sich 7 relevante Rating Agenturen einen Wettbewerb der Methoden und es ist aktuell nicht abschätzbar, welche Struktur sich durchsetzen wird.

In jedem Fall ist es notwendig relativ einfach zu vergleichende Kennzahlen und Messgrößen zu definieren, die es Banken und Kapitalgebern ermöglichen, eine qualifizierte Meinung zur Nachhaltigkeit von Unternehmen zu erheben. 

4) Kunden-Scoring

Analog der komplexen Erfassung von Informationen im KYC (Know Your Customer) -Prozess von Banken, werden neben Eigentümerstrukturen und Finanzkennzahlen nun auch Nachhaltigkeitskennzahlen aus den entsprechenden Reports Einzug finden müssen. Eine saubere, strukturierte und vollständige Integration des gewonnenen Wissens wird die komplexen IT Systeme österreichischer Banken vor völlig neue und tiefgreifende Herausforderungen stellen, da die Verarbeitung der Informationen in dem gesamten Allokationsprozess von Finanzmittel Verwendung findet. Viele Finanzinstitute operieren bereits mit verschiedenen Klassifizierungsstrukturen, die in der Regel auf Interpretationen von ESG Kriterien aufbauen. Die meisten dieser Modelle werden von den Analysten in den Finanzinstituten für die verschiedenen Branchen unterschiedlich interpretiert und umgesetzt, daher fehlt es an der Vergleichbarkeit der Informationen. Für den Zweck einer klaren Klassifizierung der nachhaltigen Aktivitäten, wird in der EU ein einheitliches Klassifizierungssystem (die Taxonomie) eingeführt.

Eine interne Studie von PwC Österreich auf Basis der vorliegenden Taxonomie sowie veröffentlichter Daten aus Transparenzberichten österreichischer Daten legt nahe, dass fast 40 % des Unternehmenskreditportfolios von transitorischen Risiken (Risiken, die durch notwendige Anpassungen des Geschäftsmodells beispielsweise aufgrund von geänderten Kundenbedürfnissen entstehen) betroffen sind. Manche Häuser weisen sogar eine Exposure von über 60 % des Portfolios auf. Das bedeutet, dass kurz- bis mittelfristig vermehrt Ausfälle zu erwarten sein werden, was die Ertragssituation der Institute negativ beeinflussen wird.

5) Risikobewertung

Eine grundlegende Funktion von Banken liegt in der Übernahme von Risiken und Transformation von Zahlungsströmen. Somit ist die Integration von langfristigen Risiken ein integraler Bestandteil ihrer Arbeitsweise. Die Integration der von Kunden bereitgestellten Informationen als Basis für die Einschätzung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen in Zeiten steigender Volatilitäten wird das Risikomanagment nachhaltig verändern. Es bedarf einer fundamentalen Anpassung der aktuell genutzten Modelle zur Berechnung von Ausfallswahrscheinlichkeiten und Kapitalhinterlegung um die neue Weltordnung einpreisen zu können. Daraus ergibt sich zumindest mittelfristig eine Abkehr von rückwärtsgerichteten Berechnungen (Erfahrungswerten) hin zu Simulationen und Einbindung von Stress Test Szenarien. Das Risikomanagement wird wahrscheinlich die fundamentalsten Änderungen erfahren – hier handelt es sich aber weniger um eine Veränderung der Prozesse sondern um eine Neugestaltung der Modelle und der zugrundeliegenden Daten (Verwendung der im Kundenscoring bereits gesammelten Daten).

In jedem Fall wird der Umgang mit Unsicherheit ohne belastbaren historischer Daten in der Berechnung zu einer neuen Disziplin im Risikomanagement werden. Von Seiten des Managements wird zu entscheiden sein, zu welchem Zeitpunkt es ökonomisch sinnvoll ist, voll auf die neuen Modelle umzusteigen. Die Gratwanderung zwischen „first mover“, der aufgrund zu restriktiver Vorgehensweisen kurzfristig Geschäft verliert und dem „late adopter“, der zu spät versucht sich mit zu großen Anstrengungen anzupassen, wird eventuell der Unterstützung von Zukunftsforschern bedürfen.

6) Preisgestaltung

Als Ergebnis der Beurteilung der Risiken, werden Finanzprodukte mit Marktpreisen belegt. In der Diskussion ist oftmals eine Reduktion der relevanten Eigenmittel-hinterlegung für grüne Produkte und damit verbundene Vergünstigung von Finanzierungen derartiger Projekte. Da anzunehmen ist, dass Banken diese Vergünstigungen nicht auf die eigene Profitabilität nehmen werden, werden Finanzierungen für nicht-grüne Projekte preislich steigen um die Bottom Line gleich zu halten. Somit hat die Zusammensetzung des Projektportfolios eines Unternehmens einen direkten Konnex zu den Finanzierungkosten und somit dem Business Case entsprechender Projekte.

Hier schließt sich der Kreis, da das unternehmerische Handeln und die Bepreisung der dafür notwendigen Finanzierungsmittel direkt voneinander abhängig sind. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass dieser Kreislauf auch Auswirkungen auf das grundlegende Setup der Finanzinstitute hat – welcher Mix an grünen und nicht grünen (braunen) Finanzierungen wird nachhaltig erfolgreich sein? Eine abrupte Kehrtwende wird nicht das Mittel zum Erfolg sein, daher ist eine graduelle Richtungskorrektur mit einem klaren Ziel notwendig. Nimmt man den Portfolio-Mix österreichischer Finanzinstitute, erkennt man aber, dass es für manche zeit- und energieintensiver sein wird, die Wende zu vollziehen.

Ausblick

In den nächsten Wochen werden wir in eigenen Newslettern die oben angesprochen Bausteine des Circle of Life weiter detaillieren und diskutieren – Im ersten Newsletter stellen wir unsere erprobte Methodik zur Identifikation geeigneter Initiativen und zur Integration in bestehende Geschäftsmodelle vor und zeigen anhand von Praxisbeispielen, dass es sich auszahlt sich früh nachhaltig auszurichten.

In der Folge diskutieren wir Ansätze zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Initiatven und Ansätze für vergleichbare und einheitliche Berichterstattungen. Hier greifen wir insbesondere die erwartbare Regulatorik und Systeme der Rating-Agenturen auf.

Abschließend kümmern wir uns um Möglichkeiten, Nachhaltigkeit in die Risiko-Modelle der Banken zu integrieren und auf Basis von Simulationen das Fehlen historischer Daten zu kompensieren.

Das Thema wird über die kommenden Jahre weiter an Bedeutung und Komplexität zunehmen. Schätzungen gehen davon aus, dass in den nächsten 10 Jahren bis zu 400‘000 Seiten neue regulatorischer Vorgaben in der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, eine neue Newsletter-Serie ins Leben zu rufen. In unserem "Sustainability Newsletter" informieren wir Sie alle zwei Monate über aktuelle Trends und Herausforderungen zu Nachhaltigkeit, Klimawandel, Circular Economy & Co. Durch ein branchenübergreifendes Format bekommen Sie relevante Einblicke aus unterschiedlichen Perspektiven - von strategischen Fragestellungen über Sustainable Finance bis zu regulatorischen Veränderungen und Reporting-Themen. Hier haben Sie auch die Möglichkeit, Themen zu denen Sie mehr Informationen lesen wollen einzumelden um Ihnen wie gewohnt den Mehrwert zu liefern, den Sie verdienen!

Medieninhaber und Herausgeber:
PwC Österreich GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, DC Tower, Donau-City-Straße 7, 1220 Wien
Für den Inhalt verantwortlich: StB Mag. Thomas Strobach, thomas.strobach@pwc.com
Für Änderungen der Zustellung verantwortlich: Anna Ring, anna.x.ring@pwc.com, Tel.: +43 1 501 88-3705, Fax: +43 1 501 88-648

Der Inhalt dieses Newsletters wurde sorgfältig ausgearbeitet. Er enthält jedoch lediglich allgemeine Informationen und spiegelt die persönliche Meinung des Autors wider, daher kann er eine individuelle Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. PwC übernimmt keine Haftung und Gewährleistung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der enthaltenden Informationen und weist darauf hin, dass der Newsletter nicht als Entscheidungsgrundlage für konkrete Sachverhalte geeignet ist. PwC lehnt daher den Ersatz von Schäden welcher Art auch immer, die aus der Verwendung dieser Informationen resultieren, ab.

"PwC“ bezeichnet das PwC-Netzwerk und/oder eine oder mehrere seiner Mitgliedsfirmen. Jedes Mitglied dieses Netzwerks ist ein selbstständiges Rechtssubjekt. Weitere Informationen finden Sie unter www.pwc.com/structure.

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