27/05/19
Auf einen Blick:
Das interne Kapitaladäquanzverfahren (Engl.: Internal Capital Adequacy Process bzw „ICAAP“) ist ein umfangreicher Prozess welcher sicherstelltstellt, dass Banken nicht mehr Risiken eingehen als sie mit (internem) Kapital abdecken können. Im Rahmen ihrer internationalen Prüfungen hat die Aufsicht einen erheblichen Verbesserungsbedarf bei den Instituten festgestellt. Im November 2018 hat daher die Europäische Zentralbank (EZB) einen ICAAP-Leitfaden veröffentlicht, welcher das Verständnis der EZB bezüglich der aus Artikel 73 CRD IV resultierenden Anforderungen, wie zum Beispiel der Implementierung von umfassenden Strategien zur Absicherung aktueller und künftiger Risiken mit internem Kapital, zum Ausdruck bringt.
Die EZB hat im November 2018 einen ICAAP-Leitfaden veröffentlicht
Der ICAAP hat maßgeblichen Einfluss auf die Festlegung der Kapitalanforderungen im Rahmen des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP), weshalb die Umsetzung der neuen Anforderungen von großer Bedeutung für die Steuerung der Institute ist. Es ist best practice, dass nationale Aufsichtsbehörden die neuen Leitlinien auch bei ihren Prüfungen heranziehen bzw. sich daran orientieren werden. In diesem Newsletter stellen wir Ihnen daher die Ziele sowie sämtliche Prinzipien des neuen Leitfadens kurz vor. Anschließend wird auf das wohl herausforderndste Prinzip zur Einführung einer neuen Perspektive in der Berechnung der Risikotragfähigkeit eingegangen. Um nicht das große Ganze – die Gesamtbanksteuerung – aus den Augen zu verlieren, stellen wir zudem einen gesamtheitlichen generischen Kapitalplanungs- und Steuerungsprozess dar. Abschließend erfahren Sie, welche Erfahrungen wir bei unseren bisherigen Projekten in diesem Bereich gemacht haben.
Grundsätzlich verfolgt die EZB im Hinblick auf die Sicherstellung der Kapitaladäquanz (ICAAP) die nachfolgenden Ziele:
Abbildung 1: ICAAP-Grundsätze
Der Leitfaden besteht aus 7 Prinzipien
Den Erwartungen der Aufsicht liegen gemäß dem neuen ICAAP-Leitfaden die nachfolgend genannten sieben ICAAP-Grundsätze zugrunde (siehe auch Abbildung 1):
Für die von der EZB überwachten Banken (Significant Institutions – SI) gilt die verbindliche Anwendung des ICAAP seit 1. Jänner 2019. In Österreich überlässt die Finanzmarktaufsicht (FMA) LSIs unter dem Prinzip der Proportionalität die Ausgestaltung des ICAAP. Der ICAAP ist jedoch grundsätzlich für alle Institute von Relevanz.
Für EZB-beaufsichtigte Banken gilt der Leitfaden seit dem 1.1.2019
Eine der größten Neuerungen des Leitfadens der EZB zu ICAAP bzw. mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden ist Grundsatz drei zur Implementierung von zwei Perspektiven, nämlich der ökonomischen und der normativen Perspektive (siehe Abbildung 2). Die Betrachtung der normativen Perspektive folgt dem Ziel der Fortführung des Instituts unter Einhaltung der regulatorischen Kapitalquoten bei adversen Bedingungen. Währenddessen verfolgt die ökonomische Perspektive den Schutz der Gläubiger aufgrund eines außergewöhnlichen Verlustereignisses.
Für die normative Perspektive sind die entsprechenden Regularien maßgebend für die Bestimmung der einzelnen Größen wie beispielsweise die regulatorischen Eigenmittel, der aufsichtsrechtlichen Mindestkapitalanforderungen und der Kapitalpuffer. Des Weiteren sind der SREP-Kapitalzuschlag (P2R) sowie die Eigenmittelzielkennziffer (P2G) von hoher Relevanz. Die Ermittlung der Risikotragfähigkeit ist in der normativen Perspektive über einen Zeitraum von 3 Jahren zu berechnen, wobei auch adverse Szenarien zu berücksichtigen sind.
Mit der Einführung einer neuen normativen Perspektive stellt Prinzip 3 die größte Neuerung dar
Die ökonomische Perspektive hingegen basiert auf Quantifizierungsmethoden wie beispielsweise VaR-Betrachtung von Risikopotentialen und barwertige / barwertnahe Ermittlung des Risikodeckungspotentials. Diese Sichtweise berücksichtigt sämtliche wesentliche (Kapital-) Risiken die mit internem Kapital zu unterlegen sind, dh. es sind nicht nur jene Risikoarten zu quantifizieren, die unter Säule I relevant sind. Der Betrachtungszeitraum für die ökonomische Perspektive beträgt mindestens ein Jahr.
Abbildung 2: Normative vs. Ökonomische Perspektive
Im Zuge des Kapitalplanungsprozesses soll das Risikotragfähigkeitskonzept um eine zukunftsgerichtete und längerfristige Komponente ergänzt werden. Ziel der Kapitalplanung ist dabei, die Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Geschäftsstrategie und des Geschäftsmodells sowie der Übereinstimmung mit der Geschäftsstrategie. Dies erfolgt durch die direkte Verknüpfung der Strategie mit der Unternehmensplanung und den daraus resultierenden Risiken für die Kapitalausstattung. Mit Einführung der normativen Perspektive knüpft die Kapitalplanung an diese an und wird gemäß Grundsatz drei für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren durchgeführt. Im Basisszenario ist zu berücksichtigen, wie sich erwartete Veränderungen z.B.
über einen Zeitraum von drei oder mehr Jahren auf die Kapitalplanung auswirken. In adversen Szenarien sind ergänzend (negative) Abweichungen von den erwarteten Entwicklungen zu berücksichtigen. Dabei ist eine angemessene Anzahl von Szenarien zu betrachten, die jeweils vom Risikoprofil der Bank abzuleiten ist. Im Rahmen der normativen Perspektive, deren Basis der Kapitalplan ist, sind regulatorische Änderungen (z.B. aufgrund von Basel IV) zu berücksichtigen. Des Weiteren sind Risiken der ökonomischen Perspektive, die nicht in der Säule I oder der SREP-Eigenmittelanforderung enthalten sind, miteinzubeziehen.
In diesem Zusammenhang können beispielhaft folgende Risikoarten angeführt werden:
Aus diesen Beispielen zur Einbeziehung zusätzlicher wesentlicher Risiken in die normative Perspektive wird deutlich, dass sich diese zusätzlichen Risiken vor allem erst im Falle des Eintritts widriger – d.h. adverser – Bedingungen materialisieren. In vielen Fällen dürften sich die negativen Effekte aus dem Eintritt dieser Risiken dabei im Zeitablauf über die Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen und damit mittelbar (im Falle von Ertragseinbußen) oder unmittelbar (im Falle zusätzlicher Wertberichtigungen) die Kapitalbasis beeinflussen.
Sollte ein Institut die geforderte SREP-Gesamtkapitalanforderung bei Eintritt adverser Szenarien nicht jederzeit über den Betrachtungshorizont einhalten, sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Hierfür sollte ein Maßnahmenkatalog zur Wiederherstellung der Einhaltung aller regulatorischen Eigenkapitalanforderungen und Zielgrößen sowie Berücksichtigung der Strategien erstellt werden, soweit dies nicht bereits im Rahmen der Sanierungsplanung erfolgt ist.
In Abhängigkeit der Szenarien legt die Aufsicht unterschiedliche Erwartungen an die Angemessenheit der Kapitalausstattung fest (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Kapitalanforderung normative Perspektive
Neben der Analyse auf Einzelinstitutsebene ist die Angemessenheit der Kapitalausstattung auf den relevanten Konsolidierungsebenen und innerhalb der Gruppe oder des Finanzkonglomerats sicherzustellen. Darüber hinaus ist auf eine kohärente und konsistente Anwendung von Strategien, Risikomanagementverfahren und Entscheidungsprozessen über die Gruppe hinweg zu achten. Konsistenz und Kohärenz ist zudem zwischen ICAAP und dem Sanierungsplan zwingend erforderlich, wie beispielsweise die wechselseitigen Berücksichtigung von indikativen Managementmaßnahmen, Schwellwerte für Frühwarnsignale etc.
Um den gestiegenen Anforderungen an die Kapitalplanung und -steuerung bestmöglich bewältigen zu können, zeigt Abbildung 4 einen vereinfachten ganzheitlichen Planungs- und Steuerungsprozess. Basierend auf einer Geschäftsstrategie, davon abgeleitete Risikostrategien und makroökonomischen Prognosen für die relevanten Märkte werden Markterwartungen/ -potentiale je makroökonomischem Szenario für das eigene Institut ermittelt. Diese Parameter bilden die Ausgangsbasis zur quantitativen Ermittlung der Auswirkungen in jeglicher steuerungsrelevanten Dimension, wie beispielsweise Kapital oder Liquidität. Zunächst wird ein makroökonomisches Szenario samt davon abgeleitete Markterwartungen selektiert, die zukünftige Portfoliostruktur berechnet, (z.B.: Verteilung von Exposures in Kundensegmente/ Länder etc.) um in weiterer Folge die Risikokennzahlen/ Auswirkungen zu berechnen und zu analysieren. Sämtliche Ergebnisse aller Dimensionen werden in einem nächsten Schritt zusammengetragen, aufbereitet und in einem Gesamtbanksteuerungs-Komitee besprochen, um gegebenenfalls Anpassungen der zukünftigen Geschäftsstrategie und des Planungsprozesses vorzunehmen.
Ein solch umfassender Gesamtbankplanungs- und –steuerungsprozess ist notwendig, um die Anforderungen des ICAAP hinsichtlich der Kapitalplanung und der damit verbundenen zwingenden Einhaltung sämtlicher regulatorischer Anforderungen zu gewährleisten.
Abbildung 4: Kapitalplanungsprozess
Zusammenfassend erfordert der aktuelle ICAAP-Leitfaden der EZB eine Neugestaltung der Risikotragfähigkeitsrechnung und damit implizit auch der Kapitalplanung sowie der Stresstests. Dies erfordert in weiten Teilen andere als die bisher bekannten und gelebten Prozesse, die zusätzlich noch stärker ineinandergreifen müssen als bisher. Die Kombination der normativen und der ökonomischen Perspektive hat darüber hinaus Auswirkungen auf die Steuerung der Institute, da steuerungsrelevante Informationen stärker verknüpft werden als bislang. Banken sollten sich demnach mit dem Thema auseinandersetzen, um einerseits Wettbewerbsvorteile zu generieren und andererseits mögliche Kapitalzuschläge im Zuge der aufsichtsrechtlichen Prüfung zu reduzieren bzw. zu vermeiden und somit Kapital einzusparen.
In unseren ICAAP-Vorstudien und Projekten haben wir vor allem Konzeptionen zur Implementierung der normativen Perspektive vorgenommen, da diese in den Instituten nicht bzw. nicht ausreichend vorhanden waren. Wie bereits dargestellt, hat diese neue Perspektive starke Implikationen auf den Kapitalplanungs-/ Stresstesting-/ Gesamtbanksteuerungsprozess, den wir in den Vorstudien zum Teil neugestaltet haben. Neben den quantitativen Aufgaben dürfen natürlich die Governance-Themen rund um die Neuerungen nicht vergessen werden. All diese Themenblöcke haben wir in unseren bisherigen Projekten effizient durch unser erfahrenes Team und entrsprechenden Tools abgedeckt.
Die nationalen Aufsichten werden sich perspektivisch an den formulierten Prinzipien orientieren
Haben Sie Fragen oder wollen Sie sich zu diesem aktuellen Thema austauschen? Dann kontaktieren sie uns, wir stehen jederzeit für Sie zur Verfügung.