Transaction Accounting Blog 01: Transaktionen und deren Beurteilung nach IFRS

01/02/21

In der Praxis firmieren Deals und Transaktionen unter verschiedenen Schlagworten: Übernahmen, Fusionen, Merger, Akquisitionen und viele mehr. Unabhängig von der Bezeichnung einer Transaktion steht bei einer Accounting-Analyse als erster Schritt die Überlegung an, nach welchem IFRS-Standard eine Transaktion zu erfassen ist. Dafür ist es notwendig, die vertraglichen Vereinbarungen, die Motive der Vertragsparteien und wenn nötig auch quantitative Daten ganzheitlich zu verstehen. 

Welche Transaktionen fallen unter IFRS 3?

Die Wahl des maßgeblichen Standards richtet sich sowohl nach dem Ausmaß des Einflusses, den ein Erwerber künftig über das Zielobjekt ausüben wird, als auch danach, ob das Zielobjekt einen Geschäftsbetrieb oder nur eine Gruppe von Vermögenswerten darstellt. Die Unterscheidung, ob ein Geschäftsbetrieb („Business“) oder nur eine Gruppe von Vermögenswerten vorliegt, kann im Einzelfall schwierig sein. IFRS 3 wurde diesbezüglich geändert. Die praktischen Auswirkungen der Definition „Geschäftsbetrieb“ stellen wir später in einem gesonderten Blogbeitrag dar.

Vermittelt eine Transaktion Kontrolle über einen Geschäftsbetrieb, ist IFRS 3 „Unternehmenszusammenschlüsse“ anzuwenden. Darunter fallen klassische Unternehmenserwerbe, bei denen die Mehrheit der Anteile (und damit Kontrolle) erworben werden. Dafür ist es unerheblich, ob sämtliche Anteile am Target erworben werden oder substanzielle Minderheiten entstehen. Entscheidend ist, dass den Minderheiten keine partizipativen Rechte eingeräumt werden, die die Annahme der Kontrolle beim Erwerber widerlegen. Die Zahlung einer Gegenleistung ist ebenfalls nicht Voraussetzung für die Anwendung von IFRS 3. Daher fallen auch Zusammenschlüsse von Unternehmen im Wege von vertraglichen Vereinbarungen (auch ohne Gegenleistung) unter IFRS 3.

Praxistipp: Für die Beurteilung, ob IFRS 3 anzuwenden ist und wie sich die Regeln des IFRS 3 im Detail auswirken, sind die Rechtsfolgen der Verträge entscheidend. Dabei gilt es nicht nur, den Hauptvertrag („share purchase agreement“) zu analysieren. Auch „Nebenverträge“, „Addenda“ oder die vereinbarten Statuten, die Geschäftsordnung sowie die Rechtsform des Targets sind relevant. Dies trifft besonders auf grenzüberschreitende Transaktionen zu.

Eine intensive Vertragsanalyse ist darüber hinaus für Fragen wie die Bestimmung des Erwerbers (könnte ein umgekehrter Unternehmenserwerb vorliegen?) oder die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts von Bedeutung.

In der Praxis folgt die bilanzielle Abbildung eines Unternehmenserwerbs nach IFRS 3 einem klaren Ablaufplan. Zuerst wird der Erwerber bestimmt, in weiterer Folge der Erwerbszeitpunkt festgelegt, der Kaufpreis für das Zielobjekt bestimmt und die übernommenen Vermögenswerte, Schulden und Eventualverbindlichkeiten des Zielobjekts identifiziert. In der anschließenden Kaufpreisallokation wird der gezahlte Kaufpreis dem zu Zeitwerten bewerteten Reinvermögens gegenübergestellt und der Unterschiedsbetrag, unter Beachtung eventueller Minderheiten, ermittelt.

Exkurs: Wie wird in der Praxis der Erwerbszeitpunkt bestimmt?

Im Einzelfall kann beispielsweise die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts in der Praxis komplex sein. Als Erwerbszeitpunkt gilt grundsätzlich jener Tag, an dem der Erwerber die Kontrolle über das Zielobjekt erhält. Hierbei handelt es sich aus bilanzpolitischer Sicht um einen wichtigen Parameter.

Ab dem Zeitpunkt der Kontrollerlangung wird der Unternehmenserwerb im IFRS-Konzernabschluss des Erwerbers abgebildet und auch anteilige Umsätze des Targets in der Konzerngewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen. Darüber hinaus ist der Erwerbszeitpunkt der maßgebliche Stichtag sowohl für die Bewertung der gewährten Gegenleistung als auch für die beizulegenden Zeitwerte des übernommenen Reinvermögens des neuen Tochterunternehmens. Ab dem Erwerbszeitpunkt beginnt auch das maximal zwölf Monate dauernde Zeitfenster, in dem die Daten aus einer vorläufigen Kaufpreisallokation über eine Korrektur des Unterschiedsbetrags (Goodwill) angepasst werden können.

Hinweis: Der Erwerbstag ist somit einer der Treiber für einige Folgefragen bei der Bilanzierung eines Unternehmenserwerbs nach IFRS 3.

Wann kann davon ausgegangen werden, dass ein Kontrollübergang stattgefunden hat? Hier handelt es sich um einen entscheidenden Aspekt, der unmittelbar mit der Klärung rechtlichen Vorfragen zusammenhängt. Ein Übergang der Kontrolle (und somit der Erwerbszeitpunkt) kann erst angenommen werden, wenn die Verträge unter Beachtung sämtlicher Wechselwirkungen rechtswirksam zustande gekommen sind und dadurch dem Erwerber die rechtlich durchsetzbare Möglichkeit vermittelt wird, seine Beherrschungsrechte auszuüben. Dabei spielt die Rechtsform des Zielobjektes und weitere rechtliche Bestimmungen (wie das anzuwendende Gesellschaftsrecht, Schuldrecht o.ä.) eine entscheidende Rolle. Die in der Praxis häufig eingesetzten aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen sind für die Frage des rechtswirksamen Zustandekommens der Verträge ebenso umfassend zu analysieren. Ein vertraglich vereinbarter Rückbezug des Erwerbszeitpunkts auf ein Zieldatum in der Vergangenheit ist nach IFRS nämlich nicht möglich.

Welche Transaktionen fallen nicht unter IFRS 3?

Ausgenommen vom Anwendungsbereich des IFRS 3 sind Transaktionen, die dem Erwerber gemeinsame Kontrolle oder maßgeblichen Einfluss vermitteln. Entsprechend sind diese Transaktionen nach IFRS 11 „Gemeinsame Vereinbarungen“ oder IAS 28 „Assoziierte Unternehmen“ zu bilanzieren. Ebenfalls nicht unter IFRS 3 fallen Neugründungen von Joint Ventures und konzerninterne Umgründungen bzw. Transaktionen unter gemeinsamer Kontrolle („Business Combinations under Common Control“). Hierzu wurde kürzlich ein Diskussionspapier veröffentlicht, welches wir Ihnen ebenfalls in einem separaten Blogbeitrag vorstellen werden.

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Hans Hartmann

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Beate Butollo

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