Transaction Accounting Blog 02: Erwerb eines Geschäftsbetriebs

05/03/21

Die Regelungen der Erwerbsbilanzierung nach IFRS 3 sind nur auf Transaktionen anzuwenden, die auf den Erwerb eines Geschäftsbetriebs gerichtet sind. Aber wann liegt ein Geschäftsbetrieb vor? Welche anderen Transaktionen gibt es und wie unterscheidet sich die Bilanzierung dieser Transaktionen von Unternehmenserwerben? Für die Beantwortung dieser Fragen ist es notwendig, sich näher mit den Begriffen Unternehmenserwerb und Geschäftsbetrieb auseinanderzusetzen. 

Ein Unternehmenserwerb liegt immer dann vor, wenn ein Unternehmen die Kontrolle über einen oder mehrere Geschäftsbetriebe („Business(es)“) erwirbt. Dabei ist nicht unbedingt ausschlaggebend, in welcher Form die Bezahlung stattfindet oder wie die Transaktion rechtlich strukturiert wird. Entscheidend für diesen ersten Analyseschritt ist, ob das Erwerbsobjekt die Definition eines Geschäftsbetriebs erfüllt.

Definition „Geschäftsbetrieb“: Das integrierte Zusammenwirken von Tätigkeiten und Vermögenswerten, die darauf gerichtet sind, Güter zu produzieren und Leistungen zu erbringen oder andere Erträge im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit, Zinseinkommen oder Dividenden zu generieren.

Nach Ansicht des IASB kann ein Geschäftsbetrieb nur dann vorliegen, wenn zumindest ein Inputfaktor (wie Sachanlagen, immaterielle Vermögenswerte oder eine organisierte Belegschaft) und mindestens ein substanzieller Prozess erworben werden, die gemeinsam wesentlich dazu beitragen, Output zu schaffen. Es müssen somit nicht sämtliche Inputfaktoren und Prozesse übernommen werden, solange dieses Mindesterfordernis erfüllt ist. Diese Einschätzung ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zum Zeitpunkt der Transaktion aus Sicht eines allgemeinen Marktteilnehmers zu treffen. Nicht entscheidend ist hingegen, wie der bisherige Eigentümer den Geschäftsbetrieb „gemanagt“ hat oder wie der Erwerber beabsichtigt, das erworbene Target künftig zu führen.

In der Praxis ist diese Beurteilung mitunter herausfordernd. Industrie- und branchenspezifische Merkmale spielen hierbei genauso eine Rolle wie die Struktur der betrieblichen Tätigkeit mit ihren Inputfaktoren und angewandten Prozessen. Ein wichtiges Merkmal ist auch, ob es sich beim Target um ein etabliertes Unternehmen mit Umsatzerlösen (Output) handelt oder um ein Start-up Unternehmen. In letzterem Fall setzt IFRS 3 höhere Hürden an.

Praxisfrage: Muss eine organisierte Belegschaft übernommen werden?

Je nach Sachverhalt stellt eine organisierte Belegschaft unmittelbar einen Inputfaktor dar oder repräsentiert mittelbar ein Bündel an Fähigkeiten, substanzielle Prozesse auszuführen. Aus Sicht der IFRS müssen Arbeitnehmer bei einem Unternehmenserwerb nicht zwingend übernommen werden (auf lokalrechtliche oder arbeitsrechtliche Bestimmungen bei Betriebsübergängen ist in diesem Zusammenhang aber zu achten). 

Insbesondere bei Start-Up-Unternehmen ohne etablierte Umsatzerlöse muss dann jedoch auf andere Art und Weise – etwa über miterworbene Management-Verträge – sichergestellt werden, dass der Erwerber auf „Mitarbeiter und ihr Wissen“ nachhaltig zugreifen kann. Ob derartige „Management-Verträge“ für die Annahme eines erworbenen substanziellen Prozesses sprechen, ist eine komplexe Sachverhaltsfrage und abhängig vom Einzelfall zu beurteilen. Üblicherweise werden erworbene Verträge als Inputfaktor und nicht als substanzieller Prozess gewertet. 

Generell lassen sich die Analyseschritte zur Annahme eines Geschäftsbetriebs wie folgt abbilden:

Sind die Voraussetzungen erfüllt, liegt der Erwerb eines Geschäftsbetriebs vor. Ein solcher ist nach der „Erwerbsmethode“ des IFRS 3 im IFRS-Konzernabschluss zu bilanzieren.  

Praxisfrage: Wie ist zu bilanzieren, wenn kein Geschäftsbetrieb erworben wurde?

In diesem Fall darf die „Erwerbsmethode“ des IFRS 3 – mangels Vorliegen eines Unternehmenserwerbs – nicht angewandt werden. In der Praxis werden diese Vorgänge als Erwerb einer Gruppe von Vermögenswerten (und Schulden) abgebildet. Das bedeutet, dass der Kaufpreis (= die Anschaffungskosten einschließlich Anschaffungsnebenkosten) nach relativen Zeitwerten auf die einzelnen Vermögenswerte (und Schulden) zugeordnet werden. Goodwill darf nicht bilanziert werden. Praktische Schwierigkeiten können sich aber auch bei dieser Art von Transaktionen ergeben: insbesondere, wenn es sich um den Erwerb einer Gesellschaft handelt und nicht alle Anteile am Zielobjekt vom Erwerber erworben werden.

Praxisfrage: Gibt es bei der Anwendung von IFRS 3 auch praktische Erleichterungen?

Da die Erwerbsbilanzierung nach IFRS 3 einen sehr komplexen Bilanzierungs- und Bewertungsprozess auslöst, sieht IFRS 3 eine Erleichterung vor: den optionalen „Concentration Tests“. Dabei wird geprüft, ob sich im Wesentlichen der gesamte Fair Value der erworbenen Bruttovermögenswerte in einem Vermögenswert oder einer Gruppe gleichartiger Vermögenswerte konzentriert. Der Standard selbst sieht keinen Schwellenwert vor, ab dem von einer wesentlichen Konzentration ausgegangen werden kann. Es handelt sich aber dennoch um eine hohe Hürde. Die Durchführung des „Concentration Tests“ ist an eine Reihe von Besonderheiten geknüpft, die in Appendix B von IFRS 3 (IFRS 3.B7Aff) näher geregelt sind.

Wird der „Concentration Test“ erfüllt, muss kein Geschäftsbetrieb angenommen werden und es wird der Erwerb eines Vermögenswertes (oder einer Gruppe gleichartiger Vermögenswerte) abgebildet. Im umgekehrten Fall darf jedoch nicht automatisch vom Vorliegen eines Unternehmenserwerbs ausgegangen werden. Es muss stattdessen geprüft werden, ob die Mindestanfordernisse eines „Geschäftsbetriebs“ (mindestens ein Inputfaktor und ein substanzieller Prozess gemäß der vorstehenden Abbildung) erfüllt sind. 

Ob es für ein Unternehmen „vorteilhaft“ ist, den „Concentration Test“ durchzuführen, kann nur anhand der Analyse des Einzelfalls beantwortet werden. 

 

Kontakt

Hans Hartmann

Hans Hartmann

Partner, PwC Austria

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Ulf Kühle

Ulf Kühle

Director, IFRS-Fachabteilung, PwC Austria

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