Der Klimawandel und ein gestiegenes Umweltbewusstsein, Populismus und veränderte Kundenerwartungen, demographischer Wandel und wirtschaftliche Abkühlung, rapide technologische Veränderungen und sinkendes Vertrauen in Technologie und Institutionen – das sind nur einige der Herausforderungen, mit denen Familienunternehmen und Mittelständler derzeit zu kämpfen haben. Doch wie gehen sie mit dieser „neuen Normalität“ um?
Dieser Frage geht der European Private Business Survey 2019 nach, für den PwC knapp 2.500 Unternehmen in 31 europäischen Ländern (EU plus Norwegen, Schweiz und Türkei), darunter 90 österreichische Unternehmen, befragt hat. Die Studie zeigt auf, wie Familienunternehmen und der Mittelstand zentrale Zukunftsfragen – von der Digitalisierung über neue Technologien bis hin zum Fachkräftemangel – angehen.
Heimische Familienunternehmen blicken verhalten optimistisch in die nahe Zukunft. Auch wenn die Einschätzung positiver ist als im EU-Durchschnitt, so ist konsequentes Handeln gefragter denn je, denn Unternehmen in ganz Europa müssen sich auf die neue Normalität einstellen.
Österreichische Familienunternehmen blicken weniger optimistisch in die Zukunft als noch vor einem Jahr: 76 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass sie auch im kommenden Jahr wachsen werden. 2018 waren es noch 82 Prozent.
Dennoch sind heimische Betriebe weit positiver eingestellt als der EU-Durchschnitt (57 Prozent), vor allem beim großen Nachbarn Deutschland (46 Prozent) schwindet die Zuversicht auf wachstumsstarke Jahre deutlich. Pessimistischer sind in Europa nur Unternehmen in Griechenland (45 Prozent) und Schweden (44 Prozent).
Es gibt jedoch einen entscheidenden Faktor, der Familienunternehmen in ganz Europa gleichermaßen beeinflusst: die Digitalisierung. Gerade bei diesem Thema hinken heimische Betriebe noch weiter hinterher.
Anteil der Unternehmen, die in den nächsten 12 Monaten eine Verbesserung ihres Umsatzes erwarten:
In österreichischen Unternehmen werden vor allem Techniker (46 Prozent der Betriebe) und Auszubildende (51 Prozent) händeringend gesucht. Weil es an Fachkräften mangelt, müssen 69 Prozent (Vorjahr: 76 Prozent) der Mittelständler und Familienunternehmer nach wie vor hohe Umsatzeinbußen in Kauf nehmen und können Potenziale nicht ausschöpfen. Bedingt durch den Fachkräftemangel belaufen sich die wirtschaftlichen Verluste auf 10,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Verluste beziehungsweise entgangenes Umsatzpotenzial aus Fachkräftemangel:
Nachholbedarf haben österreichische Familienunternehmen und Mittelständler auch bei der Herangehensweise. Die Studie zeigt, dass Familienunternehmen in Österreich ein sehr technisches Verständnis der Digitalisierung haben. Diese gehen sie vor allem durch die Aufrüstung ihrer IT an. Knapp drei Viertel (71 Prozent) haben dabei bereits entsprechende Aufrüstungsmaßnahmen eingeleitet, aber nur 39 Prozent verfolgen auch die Gestaltung einer konkreten Digitalstrategie.
Das unterstreicht auch der Blick auf die am häufigsten eingesetzten Technologien: Die Chancen Künstlicher Intelligenz zum Beispiel werden in Österreich als sehr gering bewertet, nur 6 Prozent der Unternehmer halten diese Technologie für besonders relevant für ihr Unternehmen – im EU31 Vergleich sind es 23 Prozent. Etwas besser steht es immerhin um die Bedeutung von Robotics (37 Prozent) und das Internet of Things (IoT, 21 Prozent).
Relevanz der Digitalisierung für die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens:
Die zögerliche Herangehensweise an die digitale Transformation hindert Familienunternehmen sicherlich auch daran, offener mit der Digitalisierung umzugehen und auch auf neue Formen der Zusammenarbeit im Ökosystem zu setzen: Nur 20 Prozent der Firmen können sich beispielsweise eine Qualifizierung der Belegschaft durch Zusammenarbeit mit Startups vorstellen.
Die Öffnung für Kooperationspartner halte ich für eminent wichtig. Sie können aus der Startup-Szene, anderen Branchen, aber auch aus dem eigenen Markt kommen. Größere Unternehmen machen das zum Teil schon vor, indem sie nach der Devise ‚Gemeinsam ist man stärker‘ agieren, wenn es um Zukunftsthemen und Innovationen geht.
Um auch in turbulenten Zeiten erfolgreich zu sein, sollten Unternehmen antizyklisch agieren, in ihre (digitale) Zukunft investieren und ihre Strategie insbesondere bei diesen fünf Themen überdenken:
Die Transformation beginnt an der Spitze. Unternehmen müssen sich fragen, ob ihr Beirat oder Aufsichtsrat richtig besetzt ist, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Verfügt er über das notwendige Wissen relevanter Zukunftstechnologien? Ist die junge Generation ausreichend vertreten?
Um die Digitalisierung mit geballter Kraft voranzutreiben, braucht es die richtigen Experten. Doch daran mangelt es. Familienunternehmen und Mittelständler sind höchst attraktive Arbeitgeber und haben ihren Mitarbeitenden einiges zu bieten. Sie sollten deshalb zeigen, was sie haben und sich im Bewerbermarkt sichtbar positionieren. Hidden war gestern!
Die meisten Mittelständler wollen die digitale Transformation aus dem eigenen Cashflow finanzieren. In Zeiten des Abschwungs müssen die Cash-Reserven jedoch möglicherweise anderweitig eingesetzt werden. Um an externes Kapital zu kommen, sollten Unternehmen auch daran denken, einen Private-Equity-Investor an Bord zu holen.
Die Sorge vor möglichen Angriffen darf den Einsatz und die Nutzung neuer Technologien nicht behindern. Um sich zu schützen und im Ernstfall Cyber-Angriffe rechtzeitig zu erkennen, müssen Unternehmen eine eigene Organisationseinheit aufbauen und nach außen glaubhaft versichern können, dass Wissen als Wettbewerbsvorteil gilt und relevante Daten bei ihnen absolut sicher sind.
Für die digitale Transformation braucht es eine digitale Kultur und Arbeitsumgebung, die Bestehendes in Frage stellt, zu neuen Ideen ermutigt und schnelles Ausprobieren ermöglicht. Die nächste Generation kann hier wegweisend sein. Die Digitalisierung ist als Wachstumsmotor auch in unsicheren Zeiten wichtig. Jetzt ist es Zeit, die entsprechenden Weichen zu stellen.
"Die Digitalisierung wird ganz besonders über die Zukunftsfähigkeit der Familienunternehmen entscheiden."
Rudolf Krickl ist Senior Partner bei PwC Österreich und Steuerexperte mit mehr als 20 Jahren Erfahrung im nationalen und internationalen Umfeld. Ergänzend verantwortet Rudolf Krickl den Bereich Mittelstand und Familienunternehmen.
Rudolf Krickl
Senior Partner, Steuerberater, Experte für Familienunternehmen, Standort Wien, PwC Austria
Tel: +43 699 117 735 91